Ob als Trog, Tränke oder Heuraufe: Plastik hat in der Pferdebox einen festen Platz. Der CAVALLO-Test zeigt, wie schnell Produkte aus Kunststoff splittern und wie Reiter ihre Pferde vor Verletzungen schützen können.
Ob als Trog, Tränke oder Heuraufe: Plastik hat in der Pferdebox einen festen Platz. Der CAVALLO-Test zeigt, wie schnell Produkte aus Kunststoff splittern und wie Reiter ihre Pferde vor Verletzungen schützen können.
Als die Tränke zu Bruch geht, fliegen die Fetzen. Die scharfen Splitter der Kunststoffschale verteilen sich meterweit, an der Wand hängen nur noch die spitzen Überreste des Beckens. Ein Glück, dass sich dieses Szenario nicht in einer Pferdebox, sondern im Labor abspielt.
Experten der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Groß-Umstadt/Hessen untersuchen für CAVALLO, wie leicht ein Huftritt Kunststoff splittern lässt. Denn mittlerweile sind im Stall viele Dinge aus Plastik: Trog, Tränke, Heuraufe und selbst Zäune. Diese Produkte müssen im CAVALLO-Splittertest zeigen, wie stabil sie sind. Weil niemand genau weiß, wie viel Kraft hinter einem Huftritt steckt, startete Susanne Gäckler, Agraringenieurin bei der DLG, im Vorfeld des Splittertests einen spannenden Versuch im hessischen Landgestüt in Dillenburg: Sie ermittelte, mit welcher Wucht eine beschlagene Stute im Untersuchungsstand auskeilte. Die Hufe knallten auf die rückwärtige Holzwand, die mit Sensoren bestückt war. Die Ergebnisse sind erstaunlich.
„Die Stute brachte beim Auskeilen mit beiden Hinterbeinen das Doppelte ihres Körpergewichts auf“, sagt Susanne Gäckler. Das waren rund 1200 Kilogramm – über eine Tonne. Kickte die Stute nur mit einem Huf nach hinten, schlugen die Sensoren bei 300 Kilogramm aus. Diese Werte können im Einzelfall deutlich variieren. Denn andere Nebeneffekte wie höhere Aggression oder weitere Kräfte wie stärkeres Ausholen, die bei einem Huftritt in der Natur mitspielen, sind im Versuch nicht berücksichtigt.
„Es ist schwierig, die Biomechanik des Pferds mit seinen unterschiedlichen Bewegungsabläufen für den Splittertest in reine Mechanik zu übersetzen“, sagt die Ingenieurin. Der Versuch zeigte, dass Tränken und Tröge in der Gefahrenzone hängen. In der Box sind sie in etwa 60 Zentimeter Höhe installiert. Die Stute traf die Holzwand zwischen 35 und 110 Zentimetern. Susanne Gäckler machte im Schlag-Experiment eine weitere Entdeckung: „In Zeitlupe sieht man, dass die Stute die Wand erst mit der Hufspitze trifft statt wie vermutet mit dem ganzen Huf.“
Im Labor simulierte Susanne Gäckler den Huftritt mittels FOPS-Test. Die Abkürzung bedeutet „Falling Object Protective Structure“. Dieser Test wird verwendet, um die Sicherheit der Kabinen von Traktoren oder Baggern gegenüber herunterfallenden Objekten zu prüfen. Er stellt mit Hilfe einer Metallkugel von 45 Kilogramm nach, wie etwa ein Hammer oder Stein aus rund drei Metern Höhe auf das Kabinendach fällt.
Für den CAVALLO-Splittertest wandelte Susanne Gäckler den Versuchsaufbau ab. Sie wählte eine Höhe von 1,50 Metern, so dass auf die Test-Objekte eine Energie von 0,66 Kilojoule traf. Das entspricht etwa 170 Kilogramm. Um den Huftritt der Stute besser zu simulieren, montierte Gäckler die Spitze eines Hufeisens an die Kugel.
Jetzt trifft keine Fläche auf Trog oder Tränke, sondern eine Kante wie beim Pferdehuf: Die auftreffende Energie verstärkt sich durch diese sogenannte Kerbschlagwirkung gleich um das 1,5-fache. Damit liegt die Kraft bei rund 260 Kilogramm, was etwa dem Tritt der Stute mit einem Hinterhuf entspricht.
Neu in vielen Pferdeboxen sind Heuraufen aus Plastik, die platzsparend in der Ecke montiert werden. Durch ihre konische Form sollen sie Pferden den Ausfallschritt beim Fressen erlauben, ebenso die tiefe Kopfhaltung. Doch einige Reiter schrecken davor zurück aus Sorge, ihr Pferd könne ein Loch hineintreten und mit dem Huf steckenbleiben.
Eher dürfte allerdings die Raufe von der Wand reißen, als dass ein Pferd mit den Hufen darin hängenbleibt. Denn die Befestigung mit zwei Schrauben ist dürftig. Die Raufen sind aus hochfestem Polyethylen (PE), das sich aber flexibel anfühlt. Den Splitter-Test im Labor der DLG bestand das Material eines solchen Raufen-Modells ohne Probleme. Die Kugel mit der montierten Hufeisenspitze hinterließ eine Kerbe im Plastik, doch es splitterte nicht. Als die Kugel auf die Raufe niedersauste, gab das Material sofort nach und bog sich auf den Boden durch. Sobald die Kugel herunterrollte, schnellte es wieder nach oben.
Die Heuraufe wäre noch einsatzfähig. „Ich glaube nicht, dass ein Pferd durch dieses PE-Material hindurchtreten kann“, sagt Susanne Gäckler. „Es enthält wahrscheinlich sogenannte Schlagzähmodifikatoren, die es unempfindlicher gegenüber Schlägen machen.“ Zudem sei PE bei Temperaturen deutlich über 0 Grad Celsius an sich zäher als andere Werkstoffe, gebe also eher nach. Bei tieferen Temperaturen werde es dagegen schneller spröde.