Springreiten: Wie schätzt man Distanzen besser ab?

Springreiten
Wie schätzt man Distanzen besser ab?

Zuletzt aktualisiert am 29.04.2025
Springreiten mit Handicap
Foto: Lisa Rädlein

Distanzen einschätzen: Das sagt der Vielseitigkeitstrainer

Bevor es daran geht, Distanzen abzuschätzen, muss ein Reiter gewisse Grundlagen beherrschen. Als Reiter bin ich für Weg und Rhythmus verantwortlich und dafür, das Pferd in der Aufgabenstellung zu unterstützen. Denn wenn es um Distanzen geht, ist Talent nicht alles; das kann man auch schulen. Dafür reicht schon ein Cavaletti oder eine Stange, die ich mir auf den Zirkel lege. Ohne stocken darüber zu reiten, ist schon schwer genug. Klappt das, nehme ich nach und nach mehr dazu.

Ich versuche, mit weichem Blick zu reiten, meinen Atem fließen zu lassen und nicht zu verkrampfen. Mein Ziel ist es, den Galopprhythmus zu erhalten, das Pferd gerade zu halten und die Linie zu treffen. Schüler, die im Rahmen von Lehrgängen punktuell bei mir reiten, sind oft mit anderen Systemen vertraut. Es gibt also unterschiedliche Herangehensweisen: etwa Reiter, die jeden Sprung fokussieren und entsprechend zulegen oder das Tempo rausnehmen. Bei einem gut eingespielten Team klappt das gut; bei weniger Routine kann das oft unrhythmisch werden. Denn wenn der Reiter stört, kann das Pferd das Gleichgewicht verlieren und hat keine Chance, die Hindernisse gut zu nehmen. Andere Reiter lassen ihr Pferd sehr viel selbstständig machen. Bei kleineren Sprüngen und einem talentierten Pferd kann das eine gute Lösung sein, während ein anderes Pferd-Reiter-Paar damit schnell an seine Grenzen stößt. Wichtig ist auch, dass das Tempo zu den Aufgaben passt: Das Tempo misst sich an der Galoppqualität und der Routine des Reiters.

Peer Ahnert im Porträt
Peer Ahnert
Der Experte

Das sagt die Mentalcoaching zum Distanzgefühl des Reiters

Wenn es beim Springen am Distanzgefühl hapert, ist häufig nicht mangelndes Können, sondern die eigene mentale Blockade der Hauptgrund. Unsicherheiten und negative Gedanken beeinflussen Timing und Entscheidungen im Parcours. Reiter neigen dazu, sich unter Druck zu setzen, was das Problem mit dem Distanzgefühl oft verschärft. Es ist wie ein Blackout in einer Prüfung: Obwohl man den Stoff im Schlaf kann, lässt einen der Kopf vor lauter Angst im Stich und man kann das Wissen nicht abrufen.

Bei Springreitern gibt es unzählige Dinge, weshalb sie sich nicht mehr auf ihr Distanzgefühl verlassen können: Zuschauer, Angst vorm Verweigern, Unsicherheit vor einem hohen Hindernis. Atemtechniken oder andere Übungen können kurzfristig etwas Erleichterung bringen und ablenken, das Problem aber nicht dauerhaft lösen. Die beste Strategie, um Distanzen besser abschätzen zu können, ist immer individuell. Im Gespräch mit meinen Kunden finde ich heraus, woher die Ängste kommen; häufig haben sie weit in der Kindheit zurückliegende Ursachen. Wer die Mechanismen hinter seinen Gedanken erkennt, kann sich komplett auf "Null” setzen und wieder positiv und selbstbewusst nach vorne schauen. Wenn Reiter im Kopf loslassen, können sie mit ihrem Pferd ein gutes Team bilden. Dann trauen sie es sich zu, mit Gelassenheit auf die Distanz zu warten, nicht in jede Distanz einzugreifen und ihr Tier ab und zu machen zu lassen. Das kann im Zweifel eine gute Entscheidung sein!

Vanessa Klett vor einer Stall-Kulisse
Vanessa Klett
Die Expertin

Die richtige Distanz finden: Das sagt der Springreiter

Hat man als Springreiter eine gewisse Routine, ist voll im Training und reitet auf einem relativ hohen Level, dann fällt es einem mit diesem Erfahrungsschatz leichter, die Distanzen zum Sprung einzuschätzen. Aber auch für uns Profis gilt: Man muss sich dieses Gefühl für die passende Distanz jeden Tag neu erarbeiten. Und das geht nur, wenn man mit seinem Pferd ein Team ist. Ich muss mir die nötige Zeit nehmen, mein Pferd kennenzulernen: Wie galoppiert es, wie motiviert ist es, wird es heute durch irgendwelche Einflüsse von außen gestört, welchen Rhythmus hat es? Wenn ich den Rhythmus beibehalten kann, ist das schon die halbe Miete. Das gilt für einen höheren Springparcours genauso wie für Stangenarbeit.

Ich baue für mich und meine Schüler regelmäßig einen Übungsparcours nur aus Stangen am Boden auf. Damit kann ich super mein Auge und mein Distanzgefühl schulen. Der Kreativität beim Aufbau sind hier keine Grenzen gesetzt. Damit ich die optimale Distanz hinbekomme, brauche ich natürlich auch eine dressurmäßige Grundlage – und einfach regelmäßige Übung.

Sven Schlüsselburg im Porträt
Sven Schlüsselburg
Der Experte