Wundern Sie sich manchmal, dass Ihr Pferd Sie nicht versteht? Dass es nicht so reagiert, wie Sie es möchten? Das ist sicher jedem Reiter schon passiert, eine Erklärung dafür fehlt häufig.
Es gibt aber einen wichtigen und gar nicht seltenen Grund für scheinbares Fehlverhalten des Pferds: eine nicht ausgeglichene Körperstatik des Reiters. Dieser Grund wird viel zu wenig beachtet, dabei ist er einfach zu erkennen, zu beheben und absolut wichtig.
Ein zuverlässiges Zeichen für Schiefe im Reiterkörper: Man bemerkt, dass die Steigbügel sich gleich lang anfühlen, aber unterschiedlich eingestellt sind. Offenbar sind die eigenen Beine unterschiedlich lang. Mancher Reiter bemerkt auch, dass er auf dem Pferd nicht gerade im Becken bleiben kann.
Grund dafür ist sehr häufig eine Verdrehung im Kreuzdarmbeingelenk, also im Beckenbereich. Bemerkt man die genannten Zeichen, sollte man sich nicht mehr aufs Pferd setzen. Steigt der Reiter trotzdem in den Sattel, überträgt er seine Fehlstellung im Becken auf das Pferd und irritiert es.
Ungleich lange Beine stören die Harmonie
Das Becken des Reiters kann sich so verdrehen, dass er nur noch auf einem Sitzbein sitzt. Dieses Sitzbein drückt einseitig in den Sattel. Früher konnte man die einseitigen Druckmarken deutlich in der Sitzfläche erkennen.
Somit bekommt das Pferd bei jedem Ritt eine einseitige Belastung über die falsche Sitzposition des Reiters – und Pferde, wem sage ich das, sind wahnsinnig sensibel. Das Pferd bricht regelmäßig zu einer Seite hin aus und der Reiter hat häufig Mühe, das Pferd dorthin zu lenken, wo er es haben möchte.
Auf einmal fehlt die Harmonie und das Reiten wird beschwerlich. Es kommt vor, dass der Reiter das Pferd mit der Zeit so stark beeinflusst, dass es sich selbst dauerhaft im Kreuzdarmbeingelenk verdreht und irgendwann sogar anfängt zu lahmen.
Behandelt man diese Pferde, beobachtet man häufig nach kurzer Zeit wieder die gleichen Beschwerden. Man ist ratlos und kaum einer erkennt, dass eigentlich der Reiter mit seiner Fehlstatik die Ursache des Übels ist.
Jeder Mensch sollte in seiner Statik ausgeglichen sein. Aber: In der Medizin achtet kein Therapeut auf die Körperstatik. Warum das so ist, versteht man vielleicht, wenn man erfährt, dass auch heute noch an den Universitäten Lehrmeinungen vermittelt werden, die aus meiner Sicht absolut falsch sind: Es wird behauptet, man dürfe ruhig zwei Zentimeter Beinlängendifferenz haben.
Das sei nicht schlimm, weil der Körper dies ausgleiche und man selten sehen könne, dass jemand schief sei. Das stimmt sogar. Nur hat man nicht weitergedacht und sich gefragt, welche Konsequenzen und Gründe es haben könnte, wenn jemand unterschiedlich lange Beine hat.
Nur sehr selten ist die Schiefe angeboren
Oft ist eine Verdrehung im Kreuzdarmbeingelenk mit daraus folgender Beinlängendifferenz der eigentliche Grund, warum Menschen Schmerzen haben, warum Muskeln verspannen.
Nur ausgesprochen selten gibt es anatomische, also angeborene Beinlängendifferenzen, die nicht verändert werden können – viel seltener als oft von Medizinern behauptet. Die Natur macht schließlich kaum Fehler.
Dass trotzdem so viele Menschen schief sind, hängt mit unserer Lebensweise zusammen. Der Mensch ist das einzige Tier, das hauptsächlich einseitig mit einer "Pfote" agiert. Arbeiten wir den ganzen Tag mit der Computermaus, verstärkt sich der Effekt noch. Im schlimmsten Fall überschlagen wir beim Sitzen auch noch die Beine.
Schwindel, Tinnitus und Sehstörungen durch schiefes Becken
So entsteht Schiefe im Körper und ein Teufelskreis setzt sich in Gang: Um dreidimensional sehen zu können, haben wir zwei Augen. Die müssen immer sofort waagerecht ausgerichtet werden, damit wir unsere Umwelt korrekt wahrnehmen. Ist das Becken verdreht, gleichen wir das durch eine schiefe Kopfhaltung aus. Nackenschmerzen sind die Folge. Auch Schwindel, Tinnitus, Sehstörungen und Migräne können dazukommen.
Die gute Nachricht: Gegen eine erworbene Beinlängendifferenz mit all ihren unangenehmen Auswirkungen kann man etwas tun. Allerdings: An den Universitäten wird die Statik immer noch im Stehen korrigiert. Das ist absolut falsch. Im Stehen ist das Becken verdreht. Deswegen muss man die Statik immer im Liegen korrigieren und auch diagnostizieren (siehe Selbsttest weiter unten).
Haben Sie unterschiedlich lange Beine, sollten Sie die Körperstatik von einem Therapeuten osteopathisch richten lassen. Achten Sie darauf, dass keine Gelenke eingerenkt werden. Man muss die gespannte Muskulatur lockern. Beim gewaltsamen Einrenken liegt die Betonung auf dem Gelenk.
Darum geht es aber gar nicht. Es ist der Muskel, der gelockert werden muss. Da die Halsmuskulatur osteopathisch übergeordnet ist, sollten die Verspannungen von hier aus gelockert werden. Dann weiß das Gehirn, dass die Statik wieder stimmt. Dadurch löst sich auch die Verspannung weiter unten im Körper, im Becken. Hier tritt eine Wechselwirkung ein, die Körperteile stehen miteinander in Verbindung.
Tapes und Wärme gegen den Schiefen-Schmerz
Durch Schiefe entsteht Muskelverspannung und dadurch wiederum Schmerz, der die Muskeln noch mehr verspannen lässt. Schmerzen zu lindern, ist daher ein wichtiger Aspekt der Schiefenkorrektur. Das funktioniert etwa über Taping oder die Behandlung mit Wärme. Warum?
Die Hautnerven haben eine Leitgeschwindigkeit von 50 Metern pro Sekunde. Muskuläre Schmerzsignale werden aber nur mit 15 Metern/Sekunde transportiert. Die Informationen von der Hautoberfläche gelangen also schneller ins Gehirn als der Schmerz. Das lindert ihn.
Ich habe in meinem Leben schon viele Reiter von ihrer Schiefe befreit. Lassen auch Sie sich behandeln, wenn Sie schief sind. Ihr Pferd wird wie ausgewechselt auf Sie reagieren.

Wer mehr über Dr. Sielmanns Medi-Taping-Methode erfahren will, kann hier nachlesen: www.medi-taping.de
Selbstcheck: Habe ich eine Beinlängendifferenz?
Ob Ihre Körperstatik ausgeglichen ist oder Ihre Beine durch eine Verdrehung im Kreuzdarmbeingelenk unterschiedlich lang sind, können Sie selbst mit diesem Test prüfen. Sie brauchen nur eine weitere Person, die Ihnen dabei hilft.
1. Legen Sie sich in Rückenlage flach auf eine nicht zu weiche Unterlage, zum Beispiel auf einen großen Tisch, eine Liege oder eine feste Matratze. Lassen Sie sich nun von Ihrem Helfer zwei Striche auf gleicher Höhe auf die Unterschenkel malen.

2. Im Liegen ist der Körper entspannt und nicht verdreht. Setzen Sie sich auf, wird eine eventuelle Schiefe im Becken wieder sichtbar. Darum heben Sie im nächsten Schritt den Oberkörper und setzen sich auf, der Oberkörper darf dabei leicht gerundet bleiben.

3. Da die Unterlage stumpf sein kann und man dadurch falsche Ergebnisse erhält, hebt die Hilfsperson Ihre Beine kurz an und zieht ganz leicht daran. Dann werden die Beine wieder auf der Unterlage abgelegt.

4. Haben die aufgezeichneten Striche sich verschoben und liegen nicht mehr auf einer Linie, haben Sie eine erworbene Beinlängendifferenz und sollten Ihre Körperstatik osteopathisch korrigieren lassen. Selbst wenn Ihre Beinlängen sich nur um einen halben Zentimeter unterscheiden, sollten Sie behandelt werden, bevor Sie weiter reiten.

Schreiben Sie uns
Sie sind Reiter, Mediziner oder Therapeut? Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Thema Körperstatik des Reiters gemacht? Was müsste sich aus Ihrer Sicht auf diesem Gebiet tun? Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften unter dem Stichwort "Reiterstatik" an redaktion@cavallo.de