Dass eine vielseitige Ernährung mit hochwertigen Nährstoffen für die Gesundheit von Mensch und Tier unbedingt notwendig ist, wissen wir im Grunde alle. Aber ist uns auch bewusst, wie weitreichend der Einfluss der Ernährung auf die biochemischen Prozesse im Körper tatsächlich ist – um Krankheiten zu vermeiden oder zu heilen?
Viele Pferdebesitzer sind eher verwirrt angesichts von zig Produkten und Fütterungsempfehlungen, die sich teilweise sogar komplett widersprechen. Hinzu kommt, dass Faktoren wie Krankheit, Spitzenbelastung oder Pferdetyp jeweils andere Anforderungen an die Ernährung auslösen.
Wir wollen für mehr Klarheit im Fütterungsdschungel sorgen, indem wir über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem so komplexen wie zentralen Gesundheitsthema informieren.
Zum Start geht’s um die Basisfütterung mit Heu und Getreide. Die ist leider oft ernüchternd – weil den Pferden zum Teil wichtige Nährstoffe fehlen und andere wiederum im Übermaß vorhanden sind.
Nahrung als Medizin
Über den Einfluss von Nährstoffen auf die Gesundheit des Menschen haben Wissenschaftler renommierter Universitäten in den besten Journals der Welt inzwischen vielfältige Ergebnisse veröffentlicht. Dabei zeigte sich immer wieder, wie positiv sich eine ausreichende Versorgung mit sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen, Spurenelementen und ungesättigten Fetten wie Omega 3-Fettsäuren auswirkt – auf die Funktion der einzelnen Körperzellen und den gesamten Organismus. Und auch wenn solche Studien noch nicht in diesem Umfang beim Pferd durchgeführt wurden, ist der Schluss aus unserer Sicht zulässig, dass es sich bei den Vierbeinern nicht anders verhält.
Sogar die Expression der Gene bei Mensch und Tier wird scheinbar durch die Ernährung gesteuert: Duch die sogenannte Methylierung von Genen können diese in einen aktiven Zustand oder in einen Ruhezustand versetzt werden. Die Vielfalt und Auswahl unserer Nahrung beeinflusst nach ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen, ob – sehr vereinfacht ausgedrückt – krank oder gesund machende Gene angeschaltet oder abgeschaltet werden.
Fakt ist zudem, dass bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen bei Mensch und Pferd inzwischen geradezu erstaunliche Heilerfolge über die Ernährung erzielt werden. Denn es wächst die Erkenntnis, dass viele Krankheiten mit einem gestörten Stoffwechsel zusammenhängen; und dieser lässt sich über Nährstoffe nachweislich positiv beeinflussen.
Beispiele sind die Erfolge bei der Behandlung des Typ 2-Diabetes und dem Metabolischen Syndrom beim Menschen. Auch bei Pferden mit vergleichbaren nahrungsinduzierten Stoffwechselstörungen wie dem Equinen Metabolischen Syndrom und der Folgeerkrankung Hufrehe ist die Fütterung ein zentraler Behandlungsfaktor.
Wie schneidet nun die typische Ernährung unserer Pferde in diesem bedeutenden Nährstoffkonzert ab?
Fütterung mit Heu

Sehen wir zuerst das Heu an, welches durchschnittlich mit 1,5 bis 2 Kilo pro 100 kg Körpergewicht gefüttert wird und in aller Regel den größten Anteil an der Ernährung unserer Pferde übernimmt. Bei der Fütterung von hochwertigem Heu haben wir alleine hierüber im optimalen Fall eine umfassende Deckung an Rohfasern, Rohproteinen, Spurenelementen, fettlöslichen Vitaminen und – je nach Zeitpunkt der Heubergung – auch von Omega 3-Fettsäuren.
Nun ist Heu aber nicht gleich Heu. Je nach Beschaffenheit und Düngung der Böden, Lagerung, Anteil der Gräser und Kräuter sowie dem Schnittzeitpunkt variieren die Nährstoffanteile erheblich, wie Futteranalysen im Labor zeigen. Im schlimmsten Fall enthält das Heu kaum noch Spurenelemente, Vitamine und ist zudem mit Mykotoxinen durch Schimmelpilze belastet.
Ein zentrales Manko hat aber selbst Heu sehr hoher Qualiät, ebenso wie frisches Weidegras: Es fehlt nahezu immer an sekundären Pflanzenstoffen. Warum diese Stoffe für die Pferdegesundheit so wichtig sind, erläutern wir später noch detailliert. Zunächst schauen wir uns den zweiten Pfeiler der typischen Pferdefütterung genauer an.
Fütterung mit Kraftfutter

Hafer, Gerste und Weizen liefern viele Nährstoffe, die Pferde benötigen, wie etwa B-Vitamine, Biotin, Carotinoide und Phenole (also auch ein paar sekundäre Pflanzenstoffe) sowie Spurenelemente wie Eisen und Selen, an dem es im Heu ja meist mangelt. Getreide ist zudem reich an natürlichem Vitamin E.
Nachteilig ist – insbesondere bei Weizen – der hohe Stärkegehalt und Anteil an Klebereiweißen wie Gluten. Dies verklebt den Darm, worüber die Darmzotten geschädigt werden. Hafer ist deutlich verdaulicher.
Die Ernährung mit zu vielen schnell resorbierbaren Kohlenhydraten wie Stärke und Zucker ist nicht empfehlenswert; ein ungesundes Übermaß droht bei der unkritischen Fütterung mit Weizen, Gerste, Hafer oder stark melassierten getreidehaltigen Müslis in zu hohen Mengen.
Hier entsteht bei der Energiegewinnung in kurzer Zeit eine hohe Last an freien Sauerstoffradikalen, welche nur zu gern mit den Zellen des Körpergewebes reagieren und dieses schädigen können. Diese Reaktion wird unter Medizinern oxidativer Stress genannt. Dieser ist für Stoffwechselstörungen und somit eine Vielzahl chronischer Erkrankungen verantwortlich. Die schnell resobierbaren einfachen Kohlenhydrate führen zudem zu einer hohen Insulinausschüttung, die für Störungen des Muskelwachstums und des Fettstoffwechsels verantwortlich sein kann.
Wird diese fütterungsbedingte Situation noch mit hohen Stressbelastungen etwa durch Schmerzen, falsche Haltung oder überforderndes Training gepaart, entstehen sehr schnell umfangreiche Störungen der Darmflora; diese wiederum haben Resorptionsstörungen von wichtigen Nährstoffen, eine mangelnde Produktion z.B an B-Vitaminen und eine hohe Belastung mit Fremdstoffen zur Folge. Umfangreiche Störungen des Immunsystems drohen ebenfalls.
Und hier kommen nun die bereits angesprochenen sekundären Pflanzenstoffe ins Spiel. Diese Stoffe, die den Pflanzen etwa zur Schädlingsabwehr dienen, haben inzwischen eine wissenschaftlich anerkannte Bedeutung für die Ernährung von Mensch und Tier.
Sekundäre Pflanzenstoffe im Futter

Schätzungen zufolge existieren zwischen 60.000 und 100.000 unterschiedliche sekundäre Pflanzenstoffe. Diese teilen sich auf in
- Carotinoide
- Polyphenole
- Phytoöstrogene
- Phytosterole
- Monoterpene
- Saponine
- Phytinsäuren
So vielfältig wie die Namen der Haupt- und Untergruppen, sind auch ihre Einflüsse auf die Gesundheit von Zwei- und Vierbeinern.
Sekundäre Pflanzenstoffe schützen unsere Pferde zum Beispiel vor den Folgen der Ernährung mit zu vielen schnell resorbierbaren einfachen Kohlenhydraten. Sie übernehmen unter anderem die Funktion als Antioxidantien, welche die freien Sauerstoffradikale binden und somit unschädlich machen können. Hierfür benötigen diese Schutzstoffe jedoch eine Vielzahl an Spurenelementen und Mineralstoffen als Co-Faktoren.
Dieses Konzert an Wirkstoffen wird durch Vitamine und unzählige andere Substanzen wie einzelne Aminosäuren komplettiert. So ist z.B. die Aminosäure Trypthophan der Grundbaustein für den Botenstoff Serotonin und das Hormon Melatonin, welche die Stressbelastung des Pferds positiv beeinflussen können. Die Aminosäure Arginin ist für den Muskelaufbau und die Muskeldurchblutung wichtig, während die Aminosäure Lysin unter anderem bei der Abwehr von viralen Infektionen eine entscheidende Rolle spielt.
Lernen vom Wildpferd
Wildpferde scheinen um diese Bedeutung zu wissen und suchen sich mit Vorliebe Rinden, Blätter, Blüten, Kräuter, Beeren und Knospen. Diese sind reich an sekundären Pflanzenstoffen, antibiotischen sowie virostatischen Wirkstoffen, Spurenelementen, Mineralstoffen, Aminosäuren und Vitaminen aller Art. Durch diese Ernährung sichert sich das Wildpferd ein gigantisches Orchester an Nährstoffen – und damit eine robuste Gesundheit.
Eine Zwischenbilanz
Und wie steht es nun um unsere Pferde? Wir müssen festellen, dass es bei den typischen Fütterungsgewohnheiten nahezu immer an sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen und Spurenelementen mangelt, während die Versorgung mit Rohproteinen, Rohfasern und einfachen Kohlenhydraten mehr als ausreichend ist.
Die Ursachen für diesen Mangel finden wir zum einen in der oft geringen Qualität und Vielseitigkeit der Fütterung und zum anderen in der häufigen Störung der Darmflora der Tiere. Da das Erste fast immer das Zweite bedingt, beißt sich das Pferd hier quasi selbst in den Schweif.
Defizite erkennen
Ob das Pferd einen Nährstoffmangel und/oder eine gestörte Darmflora hat, lässt sich leider nicht an eindeutigen Anzeichen erkennen. Vielmehr sind es in der Regel vielfältige Symptome, die darauf hinweisen. Manche Pferde mit fortgeschrittener Störung der Darmflora wirken aufgegast; andere bekommen immer wieder Magengeschwüre oder Koliken; mangelndes Muskelwachstum, glanzloses Fell oder wiederkehrende Infekte unklarer Ursache können ebenfalls auf Nährstoffmangel beruhen.
Wenn ein Nährstoffmangel vermutet wird, sollte zunächst eine Blut- oder Urinuntersuchung im Labor erfolgen. Diese gibt Hinweise etwa zum Versorgungsstatus mit Vitaminen, Spurenelementen und Aminosäuren. Zeigt sich bei der Analyse ein Nährstoffmangel, muss dieser behoben werden.
Ernährung umstellen
Im Falle von Mangelerscheinungen sollte zunächst geklärt werden, ob z.B. einfache Maßnahmen weiterhelfen. So könnte eine höhere Qualität des Heus sowie eine geringere Belastung durch einfache Kohlenhydrate übers Kraftfutter schon Wunder wirken. Oft wird hierdurch bereits eine gesunde Darmflora ermöglicht, welche auch wieder zur Resorption der wichtigen Nährstoffe bereit ist. Gibt man dann noch sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine und Spurenelemente z.B. über Äpfel und Karotten, kommt der Organismus des Pferds meistens von allein wieder in Balance.
Nährstoffe ergänzen
Diese einfache Form der Ernährungsumstellung funktioniert allerdings nicht in jedem Fall: Denn leider lässt sich die Futterqualität nicht in jedem Stall zuverlässig auf das erforderliche Niveau anheben. Und manche Pferde sind gesundheitlich schon zu stark belastet, um nur durch optimierte Basisfütterung wieder ins Lot zu kommen. In diesen Fällen ist es notwendig, die Ernährung durch spezielle Nährstoffkonzentrate zu ergänzen.
Nun wäre es natürlich einfach, wenn jeder mögliche Mangel z.B. an sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen oder Mineralstoffen einfach durch die Zugabe der jeweiligen Substanz erfolgen könnte. Tatsächlich benötigt der Körper jedoch eine Vielzahl an Nährstoffen, um die bestmögliche Bioverfügbarkeit sowie Bioaktiviät und somit den bestmöglichen Nährwert der einzelnen Substanzen zu erhalten.
Wir sollten uns immer vor Augen halten: Das Konzert der Nährstoffe lebt von einem harmonisch aufeinander abgestimmten Orchester, nicht von Solisten!
Das zeigt auch der Fall einer elfjährigen Stute, die wiederkehrend unter stressbedingten Magengeschwüren litt. Das Aminosäureprofil der Urinuntersuchung zeigte unter anderem einen Mangel der Aminosäure Tryptophan. Dieser Mangel wurde durch eine Eiweißverwertungsstörung bei gestörter Darmflora und einen Zinkmangel verursacht.
Mit dem Beheben des Mangelzustands verschwanden die Magengeschwüre der Stute von allein – ohne weitere Behandlung. Hierbei war nicht die Zufütterung der Aminosäure Tryptophan entscheidend, sondern die Ergänzung mit Zink, prä- und probiotischen Wirkstoffen, von sekundären Pflanzenstoffen und die Reduzierung des Kraftfutters zur Sanierung der Darmflora.
Das Fazit
Mit Heu und Getreide allein sind Pferde nach den aktuellen Erkenntnissen über die physiologischen und biochemischen Zusammenhänge der Ernährung in der Regel nicht optimal versorgt. Das komplexe Zusammenspiel der Nährstoffe ist zwar längst noch nicht erforscht – die Bedeutung für den Organismus steht jedoch außer Frage. Es lohnt sich also unbedingt, sich hiermit näher zu befassen.
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