Aufgedeckt: Sechs Mythen über Winterfutter
Taugen Mash und Tee für Pferde?

Klirrende Kälte und wärmendes Futter: Wie kommen Pferde fit durch den Winter? CAVALLO befragte dazu fünf Experten. Lesen Sie hier, was Pferden wirklich hilft und was ihnen schadet.

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Kann man mit heißem Tee und wohlig warmem Brei ein Pferd durch den Winter füttern? Nützt den geliebten Vierbeinern, was dem Menschen hilft: sich aufheizen durch warme Nahrung?

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Welches Futter in welcher Menge ein Pferd im Winter braucht, hängt sehr davon ab, ob es ein Pony oder Großpferd ist und wie es gehalten und gearbeitet wird: Box oder Offenstall, Freizeit- oder Sportpferd. Und eines steht fest: Von der Vorstellung, dass Pferde im Winter mehr Futter benötigen, kann man sich getrost verabschieden. Da ist weniger oft mehr. Gerade um die Feiertage, wenn die Zeit zum Reiten knapp wird.

Warm statt kalt – Tee und Mash

"Mein Wallach bekommt im Winter immer seinen Eimer mit Fencheltee. Den trinkt er, solange der Tee warm ist. Er ist ganz verrückt danach", erzählt eine Pferdebesitzerin. "Magen und Verdauungstrakt eines Pferds sind in ihrer Physiologie mit den entsprechenden Organen des Menschen absolut nicht vergleichbar", sagt Dr. Dorothe Meyer, Expertin für Futterfragen bei der Firma iWest. "Dass Tee bei Pferden gegen Husten hilft, halte ich für aussichtslos", urteilt Professor Dr. Ellen Kienzle.

Die Annahme, dass warmes Mash an kalten Wintertagen ein Pferd von innen heraus wärmt, ist menschliches Wunsch- denken. Mash wird zu einem warmen Brei verkocht, damit die Inhaltsstoffe – Schleimstoffe im Leinsamen, Stärke in Gerste oder Hafer – aufgeschlossen werden. Nur so kann das Pferd sie auch verwerten. Außerdem zerstört die Hitze ein Enzym im Leinsamen, das unverkocht giftige Blausäure freisetzen würde.

"Ich füttere meinen Pferden Mash", sagt Dr. Dorothe Meyer, "aber nur selbst gemachtes, zweimal die Woche. Bestandteile sind gekochter Leinsamen, Weizenkleie, Hafer und etwas Salz." Dr. Kathrin Irgang aus Berlin sagt: "Das Mash sollte nach Hersteller- angaben zubereitet und lauwarm verfüttert werden. Dabei ist wichtig, die Hygiene in der Futterkrippe im Auge zu behalten. Es lohnt sich, dort regelmäßig sauber zu machen und alte Futterreste zu entfernen", warnt Kathrin Irgang.

Wichtiger als diese warme Mahlzeit zu füttern, ist es für sie, Fresspausen zu vermeiden: "Pferde müssen gerade im Winter genug Energie über das Futter erhalten. Verheerend für Magen und Kreislauf sind lange Futterpausen. Füttern Sie deshalb lieber mehrere kleine Rationen als zwei große." Mash hat den Effekt, schnell verwertbare Energie zu liefern. Ob sich ein Pferd nach dem Schlabbern einer Portion Mash aber fühlt wie ein Mensch, der einen heißen Teller Suppe gegessen hat, darf bezweifelt werden. Die Verdauung regt es auf jeden Fall an. Und das kann auch bei Minustemperaturen nicht schaden.

Flüssig statt fest – Öle und Fette

"Araber und Vollblüter vertragen Öl am besten", sagt Trakehnerzüchter Reiner Seemann. "Öl kann Kraftfutter ersetzen", weiß Kathrin Irgang von Prosaani, "dafür muss man den Hafer etwas reduzieren."

Als Faustregel gilt: Maximal 300 Milliliter Pflanzenöl pro Tag füttern, das entspricht einem Kilo Hafer. Im Zeitraum von zwei Wochen Pferde langsam anfüttern. Von Öl in Form von hartem Fett raten Experten ab: Es ist im Pferdeorganismus schlechter verdaulich.
Öl hat noch einen schönen Zusatznutzen: Es bringt Glanz ins Fell. Nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über und besonders zur Zeit des Fellwechsels hilft da ein täglicher Esslöffel Leinöl im Futter.

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Öl bringt dem Pferd schnell Kalorien.

Vitamine statt Pulver – Obst statt Tropfen

Es ist jedoch ein Irrtum, dass dieses Zubrot den Vitamin-C-Pegel hebt und Pferde wirksam vor Husten oder Schnupfen schützt, wie das beim Menschen der Fall ist.

Im Fall von Stress oder einer Erkältung wird für ein Großpferd (rund 500 Kilo) eine tägliche Dosis von 20 Gramm Vitamin-C-Pulver empfohlen. Dafür müsste es aber zum Beispiel rund 166 Kilo Äpfel verdrücken. Gesunde Pferde brauchen kein Vitamin C zusätzlich, weil ihr Körper genug davon herstellt.

Ebenso oft hört man von der Idee, Pferden wie dem Menschen Echinacea zu verabreichen, um das Immunsystem zu stärken. Auch das funktioniert nicht. Der Effekt vorbeugender und heilender Wirkung von Echinacea – in Reinform rotem Sonnenhut – ist beim Pferd gleich null. Und selbst beim Menschen wird über die Wirkung und effektivste Dosis der Tropfen noch gestritten.

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Obst auf dem Speiseplan.

Gebacken statt gekauft: Kräcker

Entsprechende Rezeptideen gibt es zuhauf, auch im Internet. Ein Vorschlag aus dem Pferde-Kochstudio:

Anis-Apfelplätzchen. Dazu braucht es geriebene Äpfel, Haferflocken, Mehl, etwas Honig und Backpulver. Die Zutaten werden vermischt, zu Kugeln geformt und 40 Minuten gebacken. Innerhalb einer Woche sollten die Kräcker verfüttert werden, damit das Pferd keine Bauchschmerzen bekommt.

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Wurzeln statt Gras – Rote Bete und Rüben

Um den Tagesbedarf an Vitamin-A zu decken, müsste man einem Pferd fünf bis zehn Kilo Karotten täglich füttern. "Und das wäre absolut schädlich", sagt Dorothe Meyer. "Wurzelgemüse wie Karotten oder Rote Bete ist stark nitrat- und nitrithaltig, da sollte man nicht mehr als zwei Kilo pro Tag zufüttern."

Diese Dosis bewirkt erwiesenermaßen Gutes: Haut, Schleimhäute und Immunsystem profitieren von der Vitamin-A-Zufuhr ebenso wie von den enthaltenen Spurenelementen, etwa Zink, Eisen oder Phosphor.

Auch Äpfel und Birnen können als Leckerbissen gereicht werden. Die Apfelschale liefert wichtige Ballaststoffe wie das Kohlenhydrat Pektin. Im Darm des Pferds wirkt es gegen Durchfall und Kotwasser. Aber Vorsicht: Birnen
sollten auf keinen Fall in größeren Mengen verfüttert werden: Denn sie gären im Magen und Darm gerne nach. Deshalb können sie eine Kolik verursachen.

Auf den Vitamin- und Mineralstoffhaushalt des Pferds haben kleine Mengen an Obst und Gemüse also keine durchschlagende Wirkung. Dennoch dienen sie als sinnvolle Futterergänzung im Winter. Das Füttern von gefrorenem Obst oder Gemüse sollte man in jedem Fall vermeiden – hier droht Kolikgefahr: Die Drüsen im Verdauungsapparat des Pferds arbeiten temperaturabhängig und vertragen solche Kälteschocks nicht.

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Rote Bete ist gesund – aber auch nitrathaltig. Das Wurzelwerk kann wohldosiert an Pferde verfüttert werden.

Frisch statt trocken – Salate und Kräuter

"Der Eiweißgehalt von Kopfsalat ähnelt dem von Gras. Wenn ein Pferd Salat in Lebensmittelqualität bekommt, läuft es keine Gefahr", erklärt Professor Dr. Manfred Coenen vom Institut für Tierernährung in Leipzig.

Selbst Gemüsepflanzen wie Artischocken "werden Pferden in manchen Regionen problemlos gefüttert", weiß Dorothe Meyer. Auch Kräuter gelten mittlerweile als Allheilmittel im Winter. Doch Vorsicht: Pferde reagieren auf ständiges Füttern von Kräutern sensibel. Nach vier bis sechs Wochen sollte man damit aufhören. Nachweislich hat besonders Thymian eine positive Wirkung auf die Pferdegesundheit. Die Pflanze putzt die Bronchien durch und wirkt beruhigend auf die Atemwege.

Manche Pferdehalter sagen auch Kräutermischungen aus dem Fachhandel, beispielsweise gegen Husten, eine heilende Wirkung nach. "Brennnesseln werden in getrockneter Form gerne gefressen, und in kleinen Mengen haben sie auch keinen negativen Einfluss auf die Gesundheit", so Dorothe Meyer. Die Frage ist, wie das Pferd die Stoffe abbaut. "Pferde reagieren auf Kräuter sensibler als Menschen. Das gilt auch für den gern verfütterten Knoblauch", so Professor Ellen Kienzle.

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Vom Tisch in den Trog: Rucola fürs Pferd.

Unsere CAVALLO-Experten zum Thema Winterfutter

Prof. Dr. Manfred Coenen

CAV Experten Winterfragen
privat
Manfred Coenen

Institut für Tierernährung,
Gustav-Kühn-Straße 8, 04159 Leipzig,
Tel. (0341) 9738370,
coenen@vetmed.uni-leipzig.de

Prof. Dr. Ellen Kienzle

CAV Experten Winterfragen
privat
Ellen Kienzle

LMU München, Lehrstuhl Tierernährung, Schönleutnerstr. 8, 85764 Oberschleißheim,
Tel. (089) 2180-78701,
kienzle@tiph.vetmed.uni-muenchen.de

Reiner Seemann

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Reiner Seemann

Trakehnergestüt Krotenbach,
Schnellmark 33, 24340 Altenhof,
Tel. (04351) 76950,
info@stall-krotenbach.de

Dr. Kathrin Irgang

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Kathrin Irgang

Prosaani GmbH,
Treskowallee 129, 10318 Berlin,
Tel. (030) 50968290,
kirgang@gmx.de

Dr. Dorothe Meyer

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Dorothe Meyer

iWest Tierernährung,
Hinterschwaig 46,
82383 Hohenpeißenberg,
Tel. (08805) 92020, info@iwest.de

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Erscheinungsdatum 17.05.2023