Bogomil Poliakov: Weil Leistung meist mit Aktivität gleichgesetzt wird. Wer hart trainiert, gilt als diszipliniert. Wer pausiert, als schwach. Dieses Missverständnis hält sich hartnäckig. Dabei entsteht Fortschritt nicht während, sondern nach dem Training. Der Körper benötigt Erholungsphasen, um Trainingsreize umzusetzen. Wer diese Prozesse ignoriert, gefährdet nicht nur seine Leistungsfähigkeit, sondern auch seine mentale Stabilität.
Schlaf ist das zentrale Element. Ergänzt wird er durch eine angepasste Ernährung, Stressbewältigung, stabile Tagesstrukturen und mentale Techniken. Gerade im Reitsport, wo Konzentration und Körperspannung eine so große Rolle spielen, hat Schlafmangel direkte Auswirkungen: unpräzise Hilfen, mangelnde Reaktionsfähigkeit, Spannungsverlust. Das Pferd registriert diese Veränderungen sofort.
Ja, aber unter unterschiedlichen Bedingungen. Profis verfügen über professionelle Begleitung, stehen aber unter großem Erwartungsdruck. Freizeitaktive müssen zwischen Beruf, Familie und Reittraining jonglieren. Umso wichtiger sind hier einfache, konsequent umsetzbare Regenerationsroutinen. Wer spätabends noch reitet, braucht umso mehr Klarheit, wie Erholung im Alltag integriert werden kann.
Ein fester Schlaf-Wach-Rhythmus, auch am Wochenende. Keine Bildschirme in der letzten Stunde vor dem Zubettgehen. Eine klare mentale Trennung zwischen Training und Alltag. Das kann durch eine kurze Atemübung, ein Reflexionsjournal oder ein bewusstes Ritual nach dem Reiten geschehen. Außerdem sollte die Planung von Erholung genauso verbindlich sein wie die Trainingseinheit selbst.
Eine sehr direkte. Pferde sind extrem sensibel gegenüber Körpersprache, Stimmung und innerer Haltung. Wer übermüdet oder gestresst reitet, sendet unklare Signale, reagiert verzögert und gerät in emotionale Reibung. Daraus entstehen Spannungen, Missverständnisse, mitunter gefährliche Situationen. Mentale Klarheit und körperliche Frische sind Voraussetzungen für feines Reiten.
Ja. Der weibliche Zyklus beeinflusst die Schlafqualität, das Energielevel, das Verletzungsrisiko und die emotionale Belastbarkeit. In der frühen Follikelphase sinkt bei vielen Frauen die körperliche Belastbarkeit deutlich. Diese Unterschiede sollten in der Trainings- und Erholungsplanung berücksichtigt werden. Das hat nichts mit Schonung zu tun, sondern mit präzisem Leistungsmanagement.
Sie befinden sich in einer Phase der biologischen und psychosozialen Neustrukturierung. Der Körper verändert sich, das Selbstbild entwickelt sich. Schlafmangel in dieser Zeit wirkt sich negativ auf die Konzentration, das Körpergefühl und die Selbstregulation aus. Gleichzeitig prägt der Sport das Körperbild und das Selbstwertgefühl. Der Reitsport kann in dieser Phase viel Positives bewirken, wenn er richtig begleitet wird – auch im Hinblick auf Erholung.
Zunächst: Selbstbeobachtung. Wo geht Energie verloren? Was tut gut? Manchmal braucht es keine große Veränderung, sondern ein klares Nein zu einem Termin oder ein bewusster Ruhetag. Auch kleine Rituale helfen. Eine ruhige halbe Stunde im Stall ohne Zielvorgabe, ein Spaziergang mit dem Pferd statt eine Trainingseinheit. Es geht darum, sich wieder in Einklang mit sich selbst zu bringen.
Eine große. Sie beobachten oft als erste Veränderungen in Stimmung, Leistung oder Körpersprache. Wer ein Gespür für diese Signale entwickelt, kann frühzeitig unterstützend wirken. Trainerinnen und Trainer sollten nicht nur Technik vermitteln, sondern auch über Belastung und Regeneration sprechen können. Das schafft Vertrauen – und ist am Ende eine Investition in nachhaltige Leistungsfähigkeit.

Bogomil Poliakov ist klinischer Psychologe und anerkannter Experte für Sportpsychologie und High Performance Mentaltraining. Er beschäftigt sich vor allem mit Themen wie Ressourcenstärkung, Umgang mit Ängsten und mentaler Leistungssteigerung im Sport. Mehr Infos unter: www.die-sportpsychologen.de/bogomil-poliakov