Für jeden Reiter gibt‘s den passenden Professor. Allein bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung sind etwa vierbeinige Lehrer erfasst. Sie alle haben eines gemeinsam: Prozent der Reiter steigen als Neulinge in ihren Sattel. Aber Schulpferde können mehr als Anfänger tragen. Sie verhelfen guten Reitern zu einem noch besseren Sitz, vermitteln neue Lektionen, fremde Disziplinen oder Reitweisen und geben Mut im Sattel. Wie jeder Reiter vom Schulpferd profitiert, auch wenn er schon ein eigenes Pferd besitzt, lesen Sie in diesem Special.
Dennoch könnte ihr Image schlechter kaum sein. Schulpferde gelten als faul, steif oder garstig. Und einige sind es auch. Schuld sind Reitschulbetreiber, die ihre Tiere nicht klug managen und korrekt ausbilden.
Niveau: Ein gutes Schulpferd muss nicht piaffieren können. Drei balancierte Grundgangarten und flüssige Übergänge in weicher Anlehnung sind jedoch nötig. Kommen dann noch Schenkelweichen und Schulterherein hinzu, kann es mehr als viele Privatpferde.
Eine solide Grundausbildung ist beim Schulpferd das wichtigste. „Nur dann können sich Reitschüler immer harmonisch mit dem Pferd bewegen“, sagt Reitschulbetreiber Andreas Frey aus Baiersbronn im Schwarzwald. Sein rittiger Freiberger Hector begeisterte CAVALLO-Reitschultesterin Miriam Kreutzer.
Pferdewechsel: Je häufiger Sie verschiedene Pferde reiten, desto schneller lernen Sie. „Andere Bewegungsrhythmen und Charaktere schulen das Gefühl und geben neue Handlungsalternativen im Sattel“, sagt Gabriele Nimsky, ehemalige Leiterin des Pferdezentrums Ansbach. Schulpferde sind dazu ideal.
Schulpferde zeigen Reiterstärken
Wer nur ein Pferd reitet, macht Kompromisse. Reiter spüren o die Folgen ihrer Sitzfehler nicht, weil das Tier die Schwächen kennt und kompensiert. „Oder die Reiter glauben, das Problem habe seine Ursache im Pferd“, sagt Marlies Fischer-Zillinger. Die Physiotherapeutin aus München bietet mit ihrer Partnerin Claudia Weissauer Sitzschulungs-Kurse für Reiter an und ist großer Fan ihrer Schulpferde. „Sie enthüllen ganz schnell, wo es klemmt.“
Schulpferde fördern auch die Stärken eines Reiters zutage. „Ist das eigene Pferd noch nicht sehr gut, merken die Leute erst bei uns, dass sie mehr können, als sie dachten“, sagt Fischer-Zillinger. Das stärkt ihre Selbstsicherheit und hil ihnen so auch beim eigenen Tier.
Klima: Die optimale Jahreszeit für Sitzschulungen ist Frühling oder Herbst. „Im Winter bieten wir keine Sitz-Kurse an, weil Pferde und Reiter langsam warm und schnell wieder kalt werden“, sagt Sitztrainerin Marlies Fischer-Zillinger. Im Sommer ist es oft zu heiß. Außerdem können lästige Blutsauger auch die geduldigsten Schulpferde stressen.
Je besser das Pferd ausgebildet ist, desto größer sind die Chancen des Schülers, das Reiten von Grund auf richtig zu lernen. „Wer in der Dressur etwas erreichen will, dem vermittelt ein wirklich gutes Pferd am besten, wie es richtig geht“, sagt Klassik-Ausbilderin Anja Beran aus Bidingen im Allgäu. Optimal für den Lernerfolg wäre deshalb, wenn für diese Reiter Pferde auf S-Niveau zur Verfügung stünden. „Doch das ist unrealistisch, denn ein Schulpferd auf diesem Niveau ist extrem teuer“, gibt Beran zu bedenken. „Sechs Jahre Ausbildung und regelmäßige Korrektur wären unverzichtbar, das würde den Preis einer Reitstunde stark in die Höhe treiben.“

Schulpferde verbessern den Sitz
Für die Sitzschulung bei den meisten Anfängern und Freizeitreitern sind feine ausgebildete Dressurcracks sowieso nicht optimal. „Ein Schulpferd muss auch vertragen können, dass sein Reiter mal Fehler macht“, sagt Marlies Fischer-Zillinger. Gerade diese Toleranz haben gut ausgebildete Schulpferde vielen Freizeitpferden voraus. Sie springen deshalb ein, wenn das eigene Pferd dem Reiter keine Fehler gestattet und korrektes Sitzen verhindert. Das passiert, wenn dem Pferd Kraft, Balance oder Losgelassenheit fehlen oder es bei Sitzübungen unsicher, hektisch oder aggressiv reagiert. Denn gerade in der Sitzschulung muss das Pferd vor allem brav sein. Effektiv ist das Training nur, wenn der Schüler sich ganz auf die Bewegungen des Tiers und seinen eigenen Körper konzentrieren kann.
Auch fein gerittene Pferde können Anfänger schulen, allerdings nur unter besonderen Bedingungen. „Unsere Pferde gehen unter guten Reitern nach fünf Minuten Seitengänge, egal, wie viele Anfänger zuvor im Sattel saßen“, sagt Sibylle Wiemer vom Reitzentrum Fintel in der Lüneburger Heide. Der Grund: Die Reitschüler bleiben lange an der Longe. „Unter 50 Longenstunden kommt bei uns kaum jemand davon“, sagt Wiemer. Langeweile vermeidet die Reitlehrerin durch abwechslungsreichen Unterricht mit vielen Erklärungen. Dadurch haben die Reiter kein Problem damit, erst frei zu reiten, wenn sie handunabhängig sitzen und fein einwirken können.
Bewegungstypen: Wie ein Reiter sitzt, hängt auch vom Pferd ab. „Schulpferde sollten deshalb nicht zu schwungvoll gehen, das überfordert viele Reitschüler“, sagt Marlies Fischer-Zillinger. Reitschulen sollten aber auch nicht nur Flachgänger besitzen. „Gangstarke Pferde zu sitzen, muss man üben“, sagt Bewegungstrainerin Gabriele Nimsky. Optimal ist, wenn Reitschüler auf verschiedenen Pferden unterschiedliche Bewegungen kennenlernen können.
Schulpferde pferdegerecht fördern und halten
Schulpferde sollten schonend eingesetzt werden. Je höher die Pferde ausgebildet sind, desto weniger Einsätze vertragen sie in der Regel. Wichtig: Fliegende Reiterwechsel sind tabu. Nur mit einer ausreichend langen Pause (Minimum eine Stunde) kann das Pferd Kraft schöpfen und sich auf den neuen Schüler einstellen. Programm abwechslungsreich gestalten. Je vielfältiger die tägliche Arbeit am Boden, in der Halle und im Gelände variiert wird, desto länger bleibt ein Schulpferd motiviert bei der Sache.
Schüler und Pferde so kombinieren, dass es passt. Nicht jeder Schüler muss jedes Pferd reiten. Das führt dazu, dass sich das Pferd nicht ganz so oft an neue Reiter anpassen muss. Auch Schulpferde brauchen Freilauf und ausreichend Sozialkontakte zu Artgenossen. Gutes Gesundheitsmanagement. Nur wenn ein Pferd fit und schmerzfrei ist, kann es seinen Job gut machen. Hilfszügel sparsam und korrekt einsetzen. Enges Ausbinden verbietet sich sowieso. Auch kann kein Pferd locker bleiben, wenn es die Bahn schon ausgebunden betritt und ebenso verlässt. regelmäßige Korrekturen nach einem festen Plan, so wird nichts verschleppt. Akute Probleme sofort beheben, um schlechte Gewohnheiten zu vermeiden. Anfänger sollten gebisslos reiten. Das schont das Maul. Der Sattel muss perfekt passen, damit ungeschickte Reitschüler keine Schmerzen verursachen.

Reitschulen müssen mit Köpfchen geführt werden
Reitschulen sind keine Selbstläufer. Nur mit viel Einsatz und Grips kommt Erfolg. „Wer gut ist, verdient sein Geld anders“, fasst Eberhard Weiß, Dressurausbilder aus Erlangen, die Probleme der Reitschulen zusammen. Es ist für Ausbilder heute nicht mehr attraktiv, den Lebensunterhalt mit Schulpferden zu bestreiten. „Die Risiken sind hoch. Fällt ein Schulpferd aus, brechen Einnahmen weg“, beschreibt Weiß eine der Gefahren. Der Reitlehrer ist an den Betrieb gebunden, Löhne für Angestellte müssen erwirtschaftet werden. Er kann nur begrenzt mobil unterrichten, was profitabel wäre.
Zudem haben hohen Kosten und eine große Konkurrenz durch Landwirte die Profite aus der Boxenvermietung reduziert. Die war früher neben Unterricht und Beritt das dritte Standbein eines Reitschulbetreibers. Erfolg hat unter diesen Bedingungen nur, wer außerordentliche Qualität liefert oder besondere Angebote entwickelt. Viele Schulbetriebe existieren dagegen mehr schlecht als recht. Das hat auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) erkannt und im Rahmen der Initiative „Vorreiter Deutschland“ das Schulpferdeberatungsprogramm gestartet. Interessierte Vereine und Betriebe können sich unter www.vorreiter-deutschland.de um die geförderte Beratung bewerben.
Auf Lehrpferden Lektionen testen
Die Pferdewelt ist bunt. Aber kaum jemand kann es sich leisten, Pferde verschiedener Rassen, Reitweisen und Ausbildungsniveaus zu halten. Kein Wunder, dass die Wahl des richtigen Wegs im Sattel auch zur Qual werden kann. Doch genau hier spielen Schulpferde ihren nächsten Trumpf aus: Es gibt sie in endloser Vielfalt. Klassische Dressur, Westernreiten, Tölten oder Wanderritt mit Gaucho-Flair – für jedes Interesse im Sattel können Reiter passende Schulpferde finden. Manchmal muss man nur etwas suchen.
Neue Erfahrungen kosten Mühe, Zeit und Geld. Je schwieriger die gewünschte Lektion, desto weniger Schulpferde beherrschen sie. Und desto mehr muss sich der Reiter dafür einsetzen. „Einfach herkommen und fliegende Wechsel reiten, geht bei mir nicht“, sagt Marius Schneider. Als Schüler seiner „Schule der Reitkunst“ kann man die Wunschlektion jedoch anstreben. Die fünf Lehrpferde können sie. Manche Ausbilder stellen Reitschülern ihre eigenen Pferde zur Verfügung. Sie erhalten so die Chance, Dinge zu erfühlen, die mit den eigenen Pferden nicht möglich sind. Klassik-Ausbilder Dr. Hans-Walter Dörr aus Fürstenfeldbruck in Oberbayern gewährt Reitgästen auf seinen persönlichen Pferden Einblicke in die romanisch geprägte Leichtigkeit der klassischen Dressur. Dabei lässt er sie auch Piaffe, Passage und Co. fühlen. Manchmal schon in der ersten Stunde. „Wir nutzen die geführte Piaffe, um dem passiv bleibenden Reiter eine Idee von Gleichgewicht und Harmonie zu geben“, sagt Dörr. Allerdings ist die Zahl seiner zahlenden Gäste begrenzt. „Die fünf Pferde gehen höchstens zweimal wöchentlich unter Reitgästen. Und wer zu uns kommt, muss unsere Einstellung zum Pferd teilen. Wir vermitteln hier weniger reine Technik, sondern eher eine Philosophie“, stellt der Ausbilder klar.
Tipp: Fragen Sie Ihren eigenen Ausbilder, ob er Sie gelegentlich oder zumindest in Einzelfällen, etwa bei bestimmten Problemen und Lektionen, mal auf einem seiner eigenen Pferd fühlen lässt. In gewissem Rahmen sind viele Trainer dazu gerne bereit, manche bieten es ihren Schülern auch generell an.

Jede Reitweise hat ihre Schule
Einfacher als für schwierige Lektionen oder anspruchsvolle Spezialdisziplinen finden sich Schulpferde verschiedener Reitweisen. Das beginnt mit den etwa 66.000 Pferden und Ponys, die in Landesreitschulen, Reitvereinen und privaten Betrieben Kinder und Erwachsene an die deutsche Reitweise heranführen.
Wie gut sie im Einzelnen sind, lesen Sie jeden Monat im CAVALLO-Reitschultest. Wer in die klassische Dressur hinein schnuppern will, hat es nicht ganz so leicht. Denn viele Trainer in diesem Bereich unterrichten ausschließlich Reiter mit eigenen Pferden. Doch es gibt auch Reitschulen wie die von Marius Schneider in Dortmund. Oder das Reitzentrum Fintel, geführt von Sibylle Wiemer. Sie bildet alle Pferde nach den Prinzipien des Franzosen Philippe Karl in der Tradition der Légèreté (Leichtigkeit) aus. „Es kommen Reiter, die auf unseren Pferden ausprobieren, ob ihnen diese Art zu reiten zusagt. Viele stellen danach ihre eigenen Pferde auch um“, erzählt Wiemer.
Exoten: Rare Pferderassen wie Shire Horse, Morgan oder Achal Tekkiner finden Sie selten in Reitschulen. Aber viele Züchter ermöglichen es seriösen Interessenten gerne, einmal ein Pferd zur Probe zu reiten. Oder sie vermitteln den Kontakt zu jemandem, der ein entsprechendes Pferd zur Verfügung stellen kann. Gangpferde sind hierzulande mit Isländern längst keine Exoten mehr. Wer tölten möchte, findet reichlich Auswahl an kleineren und größeren Reitschulen. Es gibt sogar eine Reitschulkette: Unter dem Namen SAGA vermitteln Betriebe in ganz Deutschland, wie man die wuscheligen Nordland-Pferde korrekt reitet.
Schnupperstunde an der Kuh
Auch das Westernreiten ist inzwischen in Deutschland so verbreitet, dass Sie überall Reitschulen finden, in denen Sie die Basics der amerikanischen Hirtenreitweise erleben können. Ähnlich wie im klassischen Bereich sind Schulpferde auf Top-Niveau aber selten. Allerdings stellen viele Ausbilder ihre Reining- oder Trail-Stars auf Anfrage für Schnupperstunden zur Verfügung. So wie Westerntrainerin Ute Holm. Auf ihrem Hengst Docs Gun sammelten schon etliche Neugierige erste Cutting-Erfahrungen an der künstlichen Kuh. „Reiter bekommen so den besten Eindruck“, erklärt Holm.

Coole Pferde für ängstliche Reiter
Die Angst kommt schnell. Egal, ob nach einem Unfall, bei einem schwierigen Pferd oder nur aus Scheu vor dem großen Tier – jeder Reiter hat schon erlebt, dass sich der Magen zusammenzieht und die Muskeln verkrampfen. Nicht immer hilft die Devise „einfach weitermachen“. Schwindet das Vertrauen zu sehr, kann ein sicheres Pferd es in vielen Fällen wieder herstellen.
Von jung bis alt, Neuling bis alter Hase – Ängste im Sattel erwischen jeden. Oft fürchten Reiter, die Kontrolle über das unberechenbar erscheinende Tier zu verlieren. Deswegen müssen Schulpferde besonders ausgeglichen und mutig sein. „Die Tiere darf ungewöhnliches Verhalten von Reitschülern nicht stören“, sagt Jochen Schumacher, Leiter des FS-Reitzentrums in Reken/Nordrhein-Westfalen. Auf kleineren Pferden mit ruhigen, ” achen Bewegungen fühlen sich die meisten Menschen wohler als auf Tieren mit schnellen Bewegungen. Ganz besonders wichtig ist ein ruhiger Galopp, da die Angst meist mit dem Tempo steigt. Schumacher kauft deshalb nur Pferde, die sicher und gelassen galoppieren.
In der Spur: Damit Neulinge im Sattel keine Angst haben müssen, die Kontrolle über ihr Pferd zu verlieren, hat das Reitzentrum Reken eine spezielle Ovalbahn entwickelt. Die Reitspur ist beidseitig eingezäunt, so dass die Tiere Wege nicht abkürzen oder in die Mitte laufen können. Vor allem schlechte Erfahrungen, etwa beim Springen oder im Gelände, lösen Angst aus. Meist reicht es schon, dieselbe Situation ein- oder mehrmals mit einem sicheren Schulpferd zu wiederholen, damit der Reiter wieder Mut fasst. Fürchtet sich ein Reiter allgemein vor Pferden oder vor dem eigenen, können gelassene Tiere die Angstspirale unterbrechen. Viele Pferde werden durch die Anspannung des Reiters ebenfalls stark verunsichert und immer häufiger.
Ruhige Schulpferde übernehmen die Ängste des Reiters nicht so schnell und werden vom Reitlehrer professionell betreut. Der CAVALLO-Reitschultest prüft jeden Monat Reitschulen aller Reitweisen. Die Ergebnisse lesen Sie im Heft und auf unserer Webseite. Dort finden Sie auch die Daten der hier genannten Reitschulen und weitere gute Adressen. Diese Infos und weitere Artikel zu Schulpferden, Reitschulen und Unterricht unter: www.cavallo.de/reitenlernen.



















