Artikel: Rittigkeits-Probleme durch Seitengänge lösen
AUSGANGSLAGE:

Luna war eine echte Herausforderung. Die selbstsichere Oldenburger-Stute (10 Jahre) konnte bei leichtem Schenkelkontakt explodieren oder stur gegen das Bein ihrer Reiterin Nadine Rohde büffeln. Zudem stand sie unter Hochspannung und war sehr flott unterwegs, obwohl sie keine Angst hatte. Lunas kurzer Rücken war sehr fest, vor allem die Lende machte Probleme.
LÖSUNGSSCHRITT 1: Schenkelgehorsam durch Schenkelweichen.
Zuerst musste Luna lernen, den Kontakt mit der Reiterwade zu akzeptieren und auf Schenkelhilfen korrekt zu reagieren. "Solange sie am Bein gar nicht oder überreagierte, konnte man natürlich mit ihr nicht arbeiten", sagt Andrea Bethge. Also begann die Trainerin, Luna zu erklären, was eine Berührung mit dem Bein eigentlich bedeutet. Dafür half Andrea Bethge der Stute mit der Hand in der Schenkellage seitwärts überzutreten. "Mit einer Hand hielt ich den inneren Zügel und mit der anderen gab ich weiche Impulse direkt hinter der Reiterwade. Wenn Luna die Hinterhand etwas zur Seite schwenkte, endete die Hilfe und wir haben sie gelobt", sagt Andrea Bethge.
Je nach dem, wie Luna reagierte, setzte Bethge Hand und Finger unterschiedlich ein: Zunächst nahm sie mit der flachen Hand Kontakt auf und blieb auch mal dran, wenn Luna auswich. Als die Stute das akzeptierte, gab es leichten Druck mit der flachen Hand oder mit sanften Fingerspitzen. Wenn die Stute die Berührung ignorierte, machten die Finger kräftig Druck. "Wie genau man die Hand einsetzt, hängt vom Pferd ab", sagt Bethge, "Da muss man eventuell etwas probieren." Als Luna auf die Hand fein reagierte, übernahm Nadine Rohde das Treiben mit ihrer Wade. Bethge blieb zunächst in der Nähe und half, wenn nötig. Bald konnte Nadine Rohde selbstständig Schenkelweichen an der langen Seite und auf einer 12 Meter großen Volte üben.
LÖSUNGSSCHRITT 2: Übertreten im Trab.
Als Luna das Schenkelweichen auf geraden und gebogenen Linien sicher beherrschte, kam das Übertreten im Trab hinzu. "Das war wichtig, um Rücken und Lende weiter zu lockern", sagt Andrea Bethge. Außerdem lernte die Stute so, auch in höherem Tempo fein auf Reiterhilfen zu reagieren. Das klappte natürlich nicht auf Anhieb: "Sobald Luna beim Schenkelweichen im Trab fest oder eilig wurde, parierte Nadine die Stute zum Schritt, blieb aber weiter im Übertreten. Das ist ganz wichtig, damit das Pferd begreift, dass es sich der Übung nicht durch Tempo oder Widerstand entziehen kann", erklärt Andrea Bethge.
Ging Luna im Schritt gelassen seitwärts, trabte ihre Reiterin direkt aus der Übung heraus geradeaus an. Damit erst gar keine weiteren Spannungen aufkamen, parierte sie dann wieder zum Schritt, ließ die Stute in Ruhe übertreten und trabte wieder an. Blieb Luna dabei locker, setzte die Reiterin neu zum Übertreten an der langen Seite an.
Dabei stellte sie Luna mit dem Kopf in die Bahn: "Luna kann mit Druck nur schlecht umgehen", sagt Andrea Bethge. "Sie mit dem Kopf zur Bande schenkelweichen zu lassen, hätte sie optisch zu sehr gebremst und mental überfordert."
LÖSUNGSSCHRITT 3: Genickstellung wechseln im Seitwärts.
Klappt das Schenkelweichen mit Innenstellung, sorgen Stellungswechsel in der Übung für mehr Losgelassenheit und Balance. Sie sind zudem eine wichtige Vorbereitung für Schulterherein und Travers. "Das Umstellen muss der Reiter zuerst im Stand üben", sagt Andrea Bethge. Stumpf am inneren Zügel zu ziehen, hilft nicht. "Gerade steife Pferden halten dann oft dagegen und machen sich noch fester", warnt Bethge. Deshalb muss der Reiter beide Hände gefühlvoll und mit leichtem, stetigem Kontakt in die neue Richtung führen. "Sobald das Pferd seinen Kopf auch nur einen Hauch in die gewünschte Richtung wendet, gibt der Reiter sofort mit den Zügeln komplett nach und lobt das Pferd." Mit einigen Wiederholungen lernen die Pferde, leichtem Zügelkontakt willig zu folgen.
Wenn das gelingt, übt man im Geradeaus. Erst wenn das Pferd sich jederzeit weich umstellen lässt, sollten Reiter damit auch im Schenkelweichen beginnen. "Sitz, Abstellung und Schenkel bleiben unverändert", sagt Andrea Bethge. Optimal wirkt die Übung, wenn der Reiter die Stellung alle paar Tritte weich wechselt. Gibt es Probleme, gilt dasselbe wie in Lösungsschritt 2: Die Anforderung stufenweise soweit senken, bis das Pferd wieder entspannt mitmacht. Danach startet man die Übung neu.