Weg ist er, der Geruch. Seit Futterexpertin Constanze Röhm aus der Eifel ihre Boxen und den Pferdemist regelmäßig mit effektiven Mikroorganismen besprüht, kann man ganz entspannt neben dem Misthaufen stehen. „Wir haben seither auch kaum noch Fliegen“, berichtet sie begeistert. „Jedenfalls nicht mehr diese großen Schmeißfliegen.“
Wie wirken effektive Mikroorganismen in Box, Stroh & Co.?
Wer die kleinen Helfer im Stall einsetzen will, kann das mithilfe einer speziellen Lösung aus Wasser, Mikroorganismen, Essig und Alkohol. Kaufen kann man sie als „Emiko Horse Care Stallreiniger“, der einfach in der Box oder im Stall versprüht wird. Der Trick: „Der Stallreiniger hat einen niedrigen pHWert“, erklärt Sabine Zerlett von der Firma Emiko.
„Die effektiven Mikroorganismen fühlen sich darin wohl, es entsteht ein Rotteprozess ohne Fäulnis.“ Schadgase wie Ammoniak werden so eingedämmt – und wo es nicht stinkt oder fault, sind auch keine Fliegen.
Woher stammen effektive Mikroorganismen?
Emiko ist der einzige deutsche Lizenznehmer der von Professor Higa gegründeten EM Research Organisation (EMRO). In den Produkten von Emiko steckt also die Originalmischung von Higa. Das Logo „Autorisierter Hersteller“ macht’s deutlich.
Drei Gruppen von Mikroorganismen spielen die entscheidende Rolle: aufbauende, krankheits- und fäulniserregende sowie neutrale, opportunistische. Letztere sind wie Fähnchen im Wind und siedeln einfach zur Mehrheit der vorhandenen Mikroorganismen über. In der von Higa entwickelten Urlösung sollen die aufbauenden Winzlinge überwiegen, um die natürlich vorkommenden positiven Mikroorganismen zu unterstützen.
Was drin steckt, weiß keiner genau – außer Higa. Die exakte Zusammensetzung verrät der Japaner nicht. Angeblich sind es rund 80 Mikroorganismen-Arten. Was als Bodenverbesserer gedacht war, findet nach und nach weitere Einsatzgebiete, etwa im Pferdestall oder auf dem Misthaufen.
Das Problem: Unabhängige wissenschaftliche Studien, die die positive Wirkung der effektiven Mikroorganismen, kurz EM, eindeutig belegen, gibt es bis jetzt nicht. Hier ist man auf die Erfahrung von Anwendern wie Constanze Röhm angewiesen, die den positiven Effekt etwa auf den Pferdemist bestätigen.
Die Art der Einstreu ist den Mikros egal
"Sie können Stroh, Späne, Leinstroh oder Stroh-Pellets nehmen. Der Effekt tritt überall ein“, sagt Sabine Zerlett. Wer nicht sprühen möchte, greift etwa zum Allinclusive-Paket und streut „Allspan bioaktiv“ ein. Die Späne enthalten Mikroorganismen, die aktiv werden, sobald sie mit Flüssigkeit in Berührung kommen. „Besonders gut ist der Einsatz bei Pferden mit Stauballergie, da die Mikroorganismen Staub binden“, sagt Sabine Zerlett.
Die Anwendung im Stall ist nicht ganz einfach, gibt Sabine Zerlett zu. Entscheidend ist die richtige Dosis je nach Verschmutzung der Box. Es ist wichtig, das Dominanzprinzip im Auge zu haben. Denn die kleinen Winzlinge führen ein Art Wettkampf. Effektive Mikroorganismen wirken, indem sie die positiven Mikroorganismen unterstützen. Die krankheits- und fäulniserregenden Kollegen geraten in Unterzahl. Wird zu wenig Reiniger gesprüht, gewinnen dagegen die schädlichen Winzlinge – und die erwünschte Wirkung bleibt aus.
Constanze Röhm weiß, wie’s geht: Sie sprüht übers Jahr etwa 50 bis 100 Liter effektive Mikroorganismen auf den Mist. „Der dürfte etwa 30 Kubik groß sein“, vermutet sie. „Schon nach drei Monaten hat er sich größtenteils in tollen Kompost verwandelt.“ Noch einfacher: die Einstreu in der Box einsprühen. Alles in allem schlagen Stallbesitzer drei Fliegen mit einer Klappe: Sie sparen bei der Mistentsorgung, haben besten Kompost zum Düngen und sind lästige Fliegen los.
Der Stallreiniger lässt sich auch auf dem Paddock einsetzen, reinigt Boxenwände und vertreibt so die Fliegen im Stall. Emiko bietet in diesem Segment weitere Produkte an, etwa die „Kompostpflege“ oder den „Garten- und Bodenaktivator“.
Der Einsatz auf der Pferdeweide
Hier sind die EM in ihrem ursprünglichen Element: Professor Higa hatte sie ja als Bodenverbesserer entwickelt. „Effektive Mikroorganismen haben regenerative Fähigkeiten“, sagt Sabine Zerlett. „Sie wandeln ein schlechtes in ein aufbauendes Milieu um.“ Effektive Mikroorganismen scheinen wahre Wandlungskünstler zu sein und können sich angeblich auf jeden Boden einstellen.
Was sagt die Wissenschaft zur Bodenpflege mit EM? Eine vierjährige Feldstudie der Universität Zürich etwa konnte keine Bodenverbesserung nach dem Einsatz von effektiven Mikroorganismen feststellen. Hinsichtlich des Ernteertrags bei Tomaten beobachteten Wissenschaftler jedoch einen leicht positiven Effekt.
Wie wirken die Mikroorganismen von Higa auf Pflanzen?
Sie sollen ihnen vor allem den Stress nehmen, indem sie etwa die Aktivität von Endophyten eindämmen. Diese Pilze, die im Inneren von Pflanzen leben, produzieren unter bestimmten Umständen giftige Stoffe, die die Pflanze zum Beispiel vor Fraß schützen sollen – und Pferde krank machen können.
Wird also auch auf der Weide gesprüht? Teils, teils. Sie können entweder den durch effektive Mikroorganismen entstandenen Kompost ausbringen oder spezielle Bodenhilfsstoffe mit Wasser verdünnt. Dann können die japanischen Winzlinge ihren Wettkampf im Boden austragen. Das organische Material soll zu Nährstoffen umgebaut werden, für ein gesundes Pflanzenwachstum.
Der Einsatz im und am Pferd
Ein heikles Thema! Experten und Hersteller sind sich nicht einig. Constanze Röhm ist skeptisch: „Mir fehlt der wissenschaftliche Nachweis, dass effektive Mikroorganismen in der Pferdefütterung unbedenklich sind.“
Laut Hersteller sollen sie die Verdauung in Schwung bringen, indem sie die Darmflora stabilisieren.
Was passiert im Pferdedarm?
„Grundsätzlich gedeihen Mikroorganismen im Darm nur, wenn ihnen die notwendigen hochwertigen Faserstoffe, also Polysaccharide wie Inulin, zur Verfügung stehen“, sagt Dr. Kay Bredehorst, Experte für Immunologie und Orthomolekularmedizin. „Zudem muss die Flora der Mikroflora des Pferds entsprechen.“
Weil allerdings die genaue EM-Zusammensetzung geheim ist, zieht der Experte eine klare Konsequenz: „Solange ich nicht weiß, welche Mikroorganismen ins Pferd gelangen und wie deren Ernährung sichergestellt wird, kann ich effektive Mikroorganismen in der Pferdefütterung nicht empfehlen.“
In reiner Form sind Higas kleine Helfer für die Pferdefütterung nicht zugelassen
Mithilfe von Zuckerrohrmelasse fermentieren die Winzlinge daher Kräuter, die verfüttert werden. „Das ist grundsätzlich nicht schlecht“, findet Dr. Bredehorst. „Allerdings sind die notwendigen Polysaccharide, von denen sich die Mikroorganismen ernähren, eher in Topinambur, Schwarzwurzel oder Aloe Vera vorhanden.“ Um eine geschwächte Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen, setzt Dr. Kay Bredehorst daher auf fermentierten Topinambur mit geprüfter Wirkung und ergänzt hochwertigste Aloe Vera.
Fazit des Mediziners: „Wir wissen einfach zu wenig über das Produkt – und der Hersteller will sich nicht in die Karten schauen lassen. Somit würden wir das nicht verwenden.“ Und als Wissenschaftler sind für ihn auch Studien „ein Muss vor jeder Anwendung“.
Welche Wirkung stellen Experten in der Praxis fest?
Futterberaterin Constanze Röhm bemerkte bei den Pferden ihrer Kunden keine positiven Effekte: „Drei bis sechs Monate ging es den Pferden gut, dann waren sie wie aufgeschwemmt und struppig“, erzählt sie. „In meinen Augen birgt die Fütterung Risiken. Das Problem ist, dass andere Keime langfristig verdrängt werden. Die Individualflora des Pferds gerät durcheinander.“
Sabine Zerlett hält dagegen, dass durch den sauren pH-Wert des Futters die Mikroorganismen den Magen scheinbar unproblematisch passieren; so könnten sie im Pferdedarm wirken, indem sie dort den Bakterien helfen, ein gutes Milieu aufzubauen. Zudem stünden die durch Fermentation entstandenen Enzyme und Aminosäuren sofort zur Verfügung.
EM bei Krankheiten
EM versprechen auch Hilfe bei Mauke, Strahlenfäule und Wunden. Wie das? Indem die guten die schädlichen Mikroorganismen verdrängen. „Mein Pferd hatte eine tiefe Muskelverletzung. Ich habe jeden Tag EM-Lösung auf die Wunde gesprüht. Schon nach drei Tagen zeigten sich erste Farbpigmente und Haaransätze“, berichtet Sabine Zerlett. „Selbst der Tierarzt war über die Wirkung erstaunt.“ Wer sich die Arbeitsweise der Mikroorganismen vor Augen führt, kann sich vorstellen, wie sie bei Strahlfäule oder Mauke das Milieu so verändern, dass Horn und Haut heilen.
Unser Fazit zum EM-Einsatz im Pferd: Beim Füttern der japanischen Wunderwinzlinge überwiegen die Bedenken – angesichts von Geheimrezept und fehlender Forschung. Wir halten es da lieber im Sinne des Sprichworts: Was der Bauer nicht genau kennt, frisst besser kein Pferd.
Die Geschichte der kleinen Helfer
Entdeckt wurden die Winzlinge von Teruo Higa, einem japanischen Professor für Gartenbau. Der heute 77-Jährige forschte in den 1970er-Jahren an der Universität Ryukyu an Mikroorganismen. Dabei bemerkte er, dass eine bestimmte Mikrobenmischung positiv auf damit behandelte Erde wirkte. Der Boden sah besser aus als andere und war artenreicher.
Effektive Mikroorganismen bestehen im Wesentlichen aus Laktobazillen (Milchsäure), Hefen, fermentaktiven Pilzen und Photosynthese-Bakterien. Bei Kontakt mit bestimmten organischen Materialien sollen sie zahlreiche nützliche Substanzen produzieren wie Vitamine, organische Säuren, mineralische Chelatverbindungen sowie Antioxidantien. Letzteres sind Radikalfänger, die in vielen Nahrungsmitteln wie Knoblauch, Kaffee und Tomaten enthalten sind.
Wie Menschen die Mikros konsumieren
Mittlerweile gibt es neben Garten, Tierhaltung und Co. auch viele Produkte mit effektiven Mikroorganismen, die unsere Nahrung ergänzen sollen. Fermentgetränke sind spätestens seit Kombucha schon mal in fast jedem Mund gewesen.
Nun werden solche Getränke mithilfe von effektiven Mikroorganismen fermentiert. Was sie genau bewirken sollen, bleibt im Dunkeln. Eine eindeutige Beschreibung gibt der Hersteller nicht. Der Laie kann sich lediglich vorstellen, dass durch Fermentation, ähnlich wie beim Sauerkraut, Nährstoffe dem Körper besser zur Verfügung stehen.
Inzwischen werden Stoffwechselprodukte von effektiven Mikroorganismen auch zu Kosmetikprodukten verarbeitet. Die Präparate sollen helfen, den Säureschutzmantel der Haut zu verbessern und so verhindern, dass Keime eindringen.
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