Hand aufs Herz – oder auf den Huf, genauer gesagt: Haben Sie schon mal zur Raspel gegriffen? Vermutlich. Ausgebrochene oder abgesplitterte Stellen sind damit ruckzuck wieder eine runde Sache. Aber immer mehr Pferdebesitzer raspeln, feilen, schneiden regelmäßig die Hufe ihrer Vierbeiner; sei es, weil sehr kurze Bearbeitungsintervalle nötig sind, sei es, weil die Reiter Spaß an der Arbeit haben – oder weil sie schlichtweg keinen Experten finden, der die Hufe regelmäßig bearbeitet. Denn die Nachfrage nach qualifizierten Hufbearbeitern ist quer durch die Republik hoch, berichten uns unisono Hufpflegerin Kati Jurth, Hufbeschlagschmied Markus Raabe und Hufbeschlaglehrschmied Stephan Becker.
Ganz egal, was die Gründe dafür sind, dass wir Reiter selbst Raspel, Zange und Hufmesser nutzen – dürfen wir das überhaupt? Und vor allen Dingen: Können wir uns realistisch betrachtet so gut fortbilden, dass wir die Hufe unserer Pferde wirklich fachgerecht angehen? In welchen Fällen ist es mehr als fahrlässig, den Hufexperten außen vor zu lassen – und unter welchen Voraussetzungen gehört der Huf auf jeden Fall in Profihände? Wir haben uns unter versierten Hufprofis umgehört.
Hufbearbeitung selber machen: Was wir dürfen, regeln zwei Gesetze
Wer seinem Pferd die Hufe zu kurz raspelt oder den Strahl zu tief ausschneidet, fügt seinem Tier Schmerzen zu. Mal davon abgesehen, dass das kein Reiter will, ist das auch dank Tierschutzgesetz verboten. Was haupt- oder nebenberuflich tätige Hufbearbeiter dürfen, ist im Hufbeschlaggesetz geregelt. Hier heißt es, dass die "Leistungsfähigkeit ihres Bewegungsapparates [von Huftieren...] durch einen sach-, fach- und tiergerechten Huf- und Klauenbeschlag zu erhalten und zu fördern" ist. Als Hufbeschlag gelten dabei alle "Verrichtungen an einem Huf zum Zweck des Schutzes, der Gesunderhaltung, der Korrektur oder der Behandlung". Dass dies nur von Hufbeschlagschmieden ausgeführt werden darf, kassierte das Bundesverfassungsgericht 2007 in einem Urteil ein. Haben wir hier also freie Hand?
Theoretisch ja, sagt Olivia Haverkamp, Fachanwältin für Medizinrecht von der Kanzlei Bergmann und Partner in Hamm: "Die Grenzen des Zulässigen sind sowohl das Tierschutzgesetz als auch das Hufbeschlaggesetz. Wenn ich mich innerhalb dieser Grenzen verhalte, darf ich die Hufe bearbeiten." Heißt: Die Hufe des eigenen Pferds darf jeder Pferdebesitzer selbst bearbeiten, sofern er seinem Tier dabei keine Schmerzen zufügt und über die erforderlichen Kenntnisse verfügt (§1 und §2 TierSchG.).
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Bei Hufkursen für Anfänger sollten Reiter genau hinsehen
Das Interesse, Hufe selbst zu bearbeiten, ist groß; Hufkurse für Pferdebesitzer und Reiter boomen. Wer will, kann an Tothufen üben, die Hufe lebender Vierbeiner ausschneiden oder sich bei Klebebeschlag weiterbilden. Hufpflegerin Kati Jurth gibt selbst Kurse für interessierte Pferdebesitzer und sagt: "Meine Kurse haben sich inhaltlich gewandelt. Waren die Reiter vor 15 Jahren eher daran interessiert, in der Theorie mehr über den Huf zu erfahren, wollen die meisten nun ihren Hufschmied oder Hufbearbeiter unterstützen, indem sie deren Terminkalender entlasten. Die Kurse sind praktischer geworden."

Selbst bei gesunden Hufen und korrektem Gangbild kann man einiges falsch machen, wenn man sich nicht am Pferd orientiert. Hufbeschlagschmied Markus Raabe bekommt es in seiner Schmiede oft mit den Fällen zu tun, bei denen Raspeln im Selbstversuch gehörig schief ging.
Und je nach Anbieter auch mit Vorsicht zu genießen, meint sie. "Vertritt der Kursanbieter Dogmen wie 'jedes Pferd kann barhuf gehen' oder 'Hufbeschlag ist Tierquälerei', sollte uns das aufhorchen lassen." Das gehe an der Realität der Pferdehufe vorbei, denn "der Huf gibt die Methode vor, bestimmt das Maß der Hufbearbeitung bzw. ob ein Beschlag nötig ist. Dass das Pferd bequem auf seinen Hufen laufen kann, muss oberste Priorität haben." Auch wenn dem Pferdebesitzer die Gewissheit vermittelt werde, dass er nach dem Kurs fortan eigenständig am Huf arbeiten und sich so das Geld für die Hufbearbeitung sparen könne, sei das unprofessionell.
Hufbeschlagschmied Markus Raabe bietet ebenfalls unterschiedliche Hufkurse an, auf Tagesbasis oder als Aufbaukurs. Fürs kommende Jahr hat er etwa siebentägige Weiterbildungen geplant, bei denen Reiter mit ihren Pferden anreisen und an diesen geschult werden. Wollen sich Reiter fundiert fortbilden, sollten sie das bei Hufbeschlagschmieden tun, die mehrjährige Berufserfahrung, Sachkunde und Fachwissen haben, meint Markus Raabe. Und betont: "Die Ausbildung zum staatlich anerkannten Hufbeschlagschmied dauert viele Jahre und kostet Geld, Zeit und Nerven. Eine solche Ausbildung kann man nicht durch Kurse oder Seminare ersetzen."
Das sieht auch Hufbeschlaglehrschmied Stephan Becker so. Immer wieder erreichen seine Lehrschmiede Anfragen von Reitern, "die die komplette Barhufbearbeitung in einem Seminar oder an ein paar Wochenenden lernen wollen. Das ist nicht möglich!" Er rät dazu, sich bei professionellen Hufbearbeitern nur Tipps für die "Zwischendurchbearbeitung" zu holen. Von Kursen, nach denen Reiter die Hufe ihrer Pferde angeblich komplett selbstständig bearbeiten können, hält er wenig: "Schaut man aus Profisicht die Ergebnisse an, ist man erstaunt, wie viel Pferde tolerieren können."
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Die Experten

Kati Jurth ist seit 2000 Hufpflegerin nach GdHK, begleitete ihren Mann, Hufbeschlagschmied Marcel Jurth, zwei Jahre in der Praxis, bevor sie ihre eigenen Kunden übernahm, und verfasste mit ihm das Buch "Hufwerk". www.hufwerk.info

Markus Raabe ist seit 22 Jahren staatlich anerkannter Hufbeschlagschmied, der sich mittlerweile auf Spezialfälle wie Hufkrebs, Hufrehe oder Hufrollenerkrankungen konzentriert. www.markusraabe.com

Stephan Becker, früher veterinärmedizinischtechnischer Assistent an der TiHo Hannover, ist seit 1996 Hufbeschlagschmied und seit 2013 als Hufbeschlaglehrschmied an der Lehrschmiede Niedersachsen tätig. www.nbvh.net