Der CAVALLO-Reithelmtest macht Druck: Eingeklemmt zwischen Stahlplatten oder beim Sturz auf harte Kanten mussten die Reitkappen zeigen, wie gut sie Reiterköpfe schützen. Dabei gab es einige Ausreißer.
Der CAVALLO-Reithelmtest macht Druck: Eingeklemmt zwischen Stahlplatten oder beim Sturz auf harte Kanten mussten die Reitkappen zeigen, wie gut sie Reiterköpfe schützen. Dabei gab es einige Ausreißer.
Zersplittertes Plastik, abgerissene Riemen, tiefe Schrammen: Die Reithelme sehen nach dem CAVALLO-Reithelmtest arg mitgenommen aus. Hätten sie einen Reiterkopf im Ernstfall geschützt?
Um das herauszufinden, schickte CAVALLO zehn aktuelle Reithelme ins Labor der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart (MPA). Die letzten Testergebnisse stammen aus den Jahren 2002 und 2006. Was hat sich seitdem bei den Reitkappen getan?
Das Jahr 2009 wird spannend, denn ein neuer Helmexperte drängt auf den Markt. Die bayerische Firma Uvex bietet neben Ski- und Radhelmen nun auch Reithelme an. Zwei Modelle schickte die Redaktion ins Labor. Casco erscheint mit dem neuen „Mistrall“.
Er wurde nach dem Monocoque-Inmold-Plus-Verfahren hergestellt. Dabei wird die Innenschale aus expandiertem Polystyrol (EPS), ein aufgeschäumter Kunststoff, fest mit der Außenschale verbunden. Das soll den Helm leicht und schlagfest machen. Auch US-Hersteller Troxel, dessen Modell „Spirit“ Sieger im letzten Test (CAVALLO 10/2006) war, bringt mit dem „Sierra“ einen neuen Helm heraus. Zwei Tester trugen die Helme mehrere Wochen beim Reiten in der Halle oder im Gelände. Sie beurteilten unter anderem Passform, Belüftung und Verschluss. Nach dem Praxisteil bekamen die Helme im Labor von Prüf-ingenieur Andreas de Boer ordentlich eins auf die Kappe. Wie schon in den Vorjahren setzt CAVALLO nicht nur auf die gängige Euro-Norm EN 1384, die ein Reithelm erfüllen muss, sondern verschärft die Bedingungen: So prüft Andreas de Boer nach der Norm 1384, wie gut die Helme Stöße abfangen. Hierzu simuliert er mit Hilfe eines flachen Sockels einen Sturz auf eine ebene Fläche. Zusätzlich testet er für CAVALLO den Sturz auf eine Bordsteinkante. Dies kommt dem Reitalltag nahe und zeigt, was der Helm aushält, wenn ihn ein Pferdehuf trifft.
Geprüft wird an drei festgelegten Punkten: Stirn, Seite und im Bereich zwischen Scheitel und Hinterkopf. Hier wird getestet, wie der Helm starke Belastung durch Beschleunigung aushält. Diese wird in g gemessen. Damit sind nicht Gramm gemeint, die Einheit bezieht sich auf die Erdbeschleunigung. Ein g entspricht dem normalen Wert von 9,81m/s2.
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Für die Stoßdämpfung ist laut de Boer je nach Bauart des Reithelms entweder die Dicke des Schutzpolsters wichtig oder die Kombination aus Außenschale und Schutzpolster.
Drei Reithelme hatten schon mit der Stoßdämpfungsprüfung auf dem flachen Sockel nach EN 1384 ihre Probleme. „Bei der Stoßdämpfungsprüfung, egal ob flacher Sockel oder Bordsteinkante, messe ich, welche Belastung am Kopf ankommt“, sagt Andreas de Boer. „Überschreitet die gemessene Beschleunigung 250 g, ist der Helm durch die Prüfung gefallen.“ Aus der Reihe tanzt der „C.S.O. Compet“ des französischen Herstellers Ekkia. Hier prallen 451 g an der Stirnseite auf den Kopf. Ebenfalls schlechte Werte an der Stirn liefern die Reithelme „Carbonic Sports“ von Kerbl (305 g) sowie das Modell „Equi-Thème“ von Ekkia (258 g). Gut geschützt ist der Kopf unter dem neuen „Mistrall“ von Casco. Der Reithelm ließ im Durchschnitt nur 145 g durch, dicht gefolgt von den beiden Uvex-Reithelmen.
Mit dem Sturz auf die scharfe Bordsteinkante trennt sich die Spreu vom Weizen. „Bei dieser Prüfung ist das Material des Helms entscheidend“, sagt de Boer. „Bricht es leicht, dringt viel Energie bis zum Kopf durch. Bei zähem Material nur wenig.“ In diesem Test erreicht Casco – ebenso wie das Modell „Swing Pro Air“ von Waldhausen – mit seinen Helmen „Champ“ und „Mistrall“ schlechte Werte. Manfred Krauter, Geschäftsführer des Helmherstellers Casco: „Um auch hier gute Werte zu erreichen, müssten wir das Gewicht der Helme erhöhen und die Außenschale um zwei bis 2,5 Millimeter versteifen. Das möchte allerdings niemand mehr tragen. Daher halten wir uns an die übliche Norm.“ Prüfingenieur de Boer ist vom diesjährigen Stoßdämpfungstest entsetzt: „Es gab dramatische Überschreitungen. Zählt man beide Tests zusammen, sind 60 Prozent der Helme durchgefallen.“
Besteht ein Reithelm den Stoßdämpfungstest nicht, vermutet de Boer schlechtes Material oder ein zu dünnes Schutzpolster. „Auch Lüftungsöffnungen mindern den Schutz.“ Wie sicher der Helm auf dem Reiterkopf sitzt, testet Andreas de Boer durch einen Abstreiftest. Für die Euro-Norm müssen die Helme diesen Test lediglich in eine Richtung bestehen: Ein Gewicht an einem Seil zieht von hinten nach vorn am fest auf den Prüfkopf geschnallten Helm.
Hier fällt eine Reitkappe durch: Beim „Equi-Thème“ von Ekkia verabschiedet sich das Größenanpassungssystem und der Helm fällt vom Prüfkopf. Damit hat er den Test nicht bestanden.
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Im verschärften CAVALLO Reithelm-Test muss der Helm auch dann noch auf dem Kopf bleiben, wenn das Gewicht am Reitkappe von vorn nach hinten zieht. Das kann einem Reiter schnell passieren, wenn im Gelände ein Ast am Reithelm hängen bleibt. Trennt sich hier der Helm vom Prüfkopf, ist der Test nicht bestanden.
„Der Helm darf sich nicht mehr als 30 Grad verdrehen“, sagt de Boer. Helme, die sich im Reithelmtest zum Beispiel um 57 Grad nach hinten verdrehen, sitzen tief im Nacken und geben die Stirn frei. Das ist unbequem und vor allem gefährlich.
Die verschärfte Testversion wird zur Zerreißprobe: Gurte reißen bei den Modellen „XT Double“ von LAS und „Sierra“ von Troxel aus dem Schutzpolter. Beim „FP1 Carbon“ von Uvex reißen die Riemen aus der Vernietung. Sigmund Piller, Leiter der Uvex-Produktentwicklung, ist erschüttert. „Das ist in unseren Tests nie passiert. Aber da wir mit den Reithelme erst zur Pferdemesse Equitana im März auf den Markt kommen, mussten wir Musterhelme in den Test schicken. Bei diesen Helmen waren die Gurtbänder unter der Vernietung nicht doppelt gelegt, sondern nur einfach. Das reißt natürlich schneller.“ Laut Uvex tritt das Problem im Verkauf nicht mehr auf, die Gurtbänder sollen dann doppelt gelegt sein.
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