Mit wie vielen Mitreitern gehen Sie am liebsten ins Gelände?
23 % Ich reite am liebsten alleine aus.
22 % Ich reite am liebsten mit zwei oder mehr Mitreitern aus.
55% Zu zweit fühle ich mich im Gelände am wohlsten.
Bei unserer Umfrage auf cavallo.de war der Ausritt im Duo klarer Favorit.
Wirkt sich Gruppendynamik im Gelände für Sie eher positiv oder negativ aus?
56 % Mein Pferd und ich profitieren im Gelände von der Gruppendynamik.
44 % Durch die Gruppendynamik entstehen für mein Pferd und mich eher Probleme.
Noch Luft nach oben: Nur eine knappe Mehrheit unserer Leser kann bisher von der Gruppendynamik profitieren.
Fünf Experten geben Tipps, wie Sie den Ausritt in der Gruppe entspannt meistern:
"Die Reihenfolge in der Gruppe geschickt nutzen"
Sinnvolle Reihenfolge: Jedes Pferd muss in einer Gruppe an jeder Stelle gehen können. Das üben wir gezielt. Wir können uns eine bestimmte Reihenfolge auch zunutze machen: Faule Pferde sollten etwa nicht hinten gehen, sondern werden in der Mitte mitgezogen und motiviert. Dynamische Pferde werden direkt hinter ihnen dagegen etwas ausgebremst. Jungpferde oder ängstliche Reiter bekommen in der Mitte Sicherheit. Mit einem sicheren, souveränen Pferd vorne und hinten ist die Gruppe verkehrssicherer unterwegs und man kommt an Hindernissen gut vorbei.
Entspannt auf dem Heimweg: Wenn die Pferde zum Stall hin zu schnell werden, hilft ein faules, langsames Pferd vorne, um auszubremsen. In der Gruppe haben wir dann auch die Möglichkeit, Querwege zum Verlängern zu gehen, was alleine meist nur in einer gefährlichen Diskussion endet. Sogar wenn ein Pferd bockt, kann die Gruppe helfen, indem sie weitergeht. Das Pferd wird damit aus dem Bocksprung herausgetrieben, weil die Gruppe es mitzieht.

Fremde Pferde treffen: Auch Begegnungen mit fremden Pferden üben wir: Immer ein Reiter kommt von hinten und überholt, während die anderen Pferde sich weder erschrecken noch mitrennen sollen.
Not-Halt in der Gruppe: Für Notfälle nutzen wir den Pull-Griff zum Anhalten: Eine Hand ist am Widerrist, mit der anderen wird der Kopf des Pferds zur Seite geführt. Ein Stimmsignal des Gruppenführers macht klar, dass alle stoppen müssen.

Dina Simke ist Wanderrittführerin und Pferdewirtin.
"Ruhe und Kontrolle im Gruppen-Galopp"
Galoppstrecken gut meistern: Unser Konditionstraining machen wir alle fünf bis sechs Tage an einem Berg. Die ehrgeizigen Pferde gehen bei mir vorne, da sie schneller sind. Und wir achten darauf, dass Hengste nicht hinter Stuten gehen, weil sich die Stuten sonst schneller mal bedrängt fühlen und ausschlagen. Die Reiter sollen ihre Pferde zudem mit Abstand zum Vorpferd am Platz halten können.

Wenn die Pferde durchgehen: Da Pferde beim Galopp in der Gruppe so viel Spaß haben, kann es vorkommen, dass sie über die Hilfen hinweggehen. An unserem Berg können die Pferde dann ohne Gefahr einfach laufen. Generell ist es wichtig, Ruhe zu bewahren, wenn die Pferde durchgehen und den vorderen Reiter lieber zu überholen als hinten aufzureiten. Schlägt ein Pferd aus, kann das sonst gefährlich werden. Bremsen sollte man das Pferd über Paraden oder übers Abwenden. Kontinuierlich am Zügel dran zu sein, bringt nichts, so machen sich die Pferde nur fest und gehen dagegen.
Halsring zum Parieren: Wir haben für solche Situationen ein Vorderzeug mit befestigtem Halsring mit dem ehemaligen Vielseitigkeits-Bundestrainer Christopher Bartle entwickelt (Foto, mit Martingal).

Die Pferde lernen vorab, auf Signale am Halsring zu parieren.

Ingrid Klimke ist Vielseitigkeits-Olympiasiegerin und Reitmeisterin.
"Zum Leader des Pferds werden"
Vorübung auf dem Reitplatz: Der Schlüssel zum problemlosen Ausreiten in der Gruppe ist, dass die Pferde sich auf ihren Reiter beziehen. Bei zehn Reitern mit Pferd sind dann quasi zehn Zweier-Herden unterwegs. Das Pferd soll emotional mit seinem Reiter verbunden sein, ihn als Alpha-Tier wählen. Dafür haben wir auf dem Reitplatz eine Übung: "Follow the leader". Dabei reitet der Coach vorneweg, die anderen Reiter reihen sich hinter ihm ein. Auf Kommando geht der letzte Reiter an allen vorbei bis ganz nach vorne. So wechseln wir die Reihenfolge komplett durch. Erst wenn alle Pferde dabei entspannt und zufrieden sind, ist man bereit fürs Gelände. Man kann die Übung auch abwandeln und zum Beispiel im Slalom durch die Abteilung reiten.

Schreckmomente meistern: Wählt das Pferd den Menschen als Leader, wird es in Paniksituationen erst den Reiter fragen, ob es weglaufen darf und nicht blind den anderen hinterherrennen. Wenn es doch mal angespannt und im Fluchtmodus ist, reicht es, kurz Druck am Zügel aufzubauen und sofort wieder wegzunehmen, wenn die Aufmerksamkeit beim Reiter ist. Danach reichen ganz leichte und feine Signale. Um so eine Beziehung zu erreichen, muss man über Bodenarbeit, die Sprache der Pferde und Kommunikation ganz vorne anfangen. So festigt sich die Beziehung auf dem Platz und das Gelände kommt langsam dazu.
Alleine ausreiten: Für unerfahrene Pferde sind Ausritte in der Gruppe mit anderen Pferden sinnvoll. Eine gute Strategie ist, mit einer kleinen Gruppe und einem sicheren Pferd, das vorweg geht, zu starten und je nach Pferdetyp nach ein bis drei Wochen immer weniger Pferde mitzunehmen, bis das Pferd alleine mit dem Menschen geht.

Ralf Heil ist lizensierter Parelli-Instruktor.
"Hilfe für Kleber und Drängler"
Kleben verstehen: Zunächst mal ist es wichtig nicht zu verzweifeln, wenn das Pferd an der Gruppe klebt. Pferde sind eben so. Ihrem natürlichen Verhalten nach ist es ein Risiko, ja vielleicht sogar lebensgefährlich, den Anschluss zu verlieren. Die einen fühlen sich alleingelassen, die anderen wollen als Leittier die Gruppe zusammenhalten – die Motive sind unterschiedlich, doch die Probleme, die entstehen, ähnlich. Das Gute ist aber: Pferde sind lernfähig, und positive Erfahrungen speichern sie ab. Man sollte daher zusammen mit einem erfahrenen Begleitpferd Trainingsritte machen und an dem arbeiten, was schwerfällt.
Lernverhalten gegen Drängeln oder Trödeln nutzen: Geht das Pferd gerne (zu) flott vorweg, lassen Sie es in kurzen Reprisen hinten gehen und bauen vorne kleine Übungen wie Seitengänge oder Volten ein, wenn das Pferd zu schnell wird. Hinten darf das Pferd einfach entspannen. Pferde, die vorne dagegen stehenbleiben oder umkehren, reiten Sie ein bis drei Pferdelängen am anderen Pferd vorbei und bitten dessen Reiter, langsam zu bleiben. Wichtig ist: Das Begleitpaar muss nachher auf Zuruf zu Ihnen kommen. Der andere Reiter muss jeweils die Nähe wiederherstellen. Lassen Sie das lernende Pferd zurückgehen, gleicht das einem Abbruch der Übung.
Von der Gruppe entfernen: Später kann man dann auch mal außer Sichtweite gehen, etwa an einer Waldecke. Da kann es sein, dass das Pferd nochmal deutliche Reaktionen zeigt. Oft ist es sinnvoller, dann rechtzeitig ruhig abzusitzen und kleine Übungen zu machen. Ich nehme dafür Knotenhalfter und Leitseil mit – wichtig ist, dem Pferd Sicherheit zu vermitteln und die Kontrolle zu behalten.

Stresssituationen kurz halten: Gehen Sie im Training schrittweise an die Diskomfortzone des Pferds heran und kehren geregelt in den Komfortbereich zurück, bevor negatives Verhalten eskaliert. Wichtig ist, dass das Pferd lernt: nach jeder Trennung folgt die Rückkehr zum Artgenossen. Adrenalinschübe sollten regelmäßig, aber kurz sein – je öfter sich Stresssituationen für das Pferd schnell auflösen, desto mehr Vertrauen gewinnt es.

Peter Kreinberg, der Horsemanship- und Reit-Trainer bildet auch im Gelände aus.
"Rittführer definieren, um Sicherheit zu geben"
Einer trifft Entscheidungen: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Gruppendynamik stark von den Menschen abhängt. Der Reiter beeinflusst das Pferd und vermittelt ihm Sicherheit – oder eben nicht. Wenn sich die Reiter nicht als Gruppe fühlen und keine Orientierung haben, merken die Pferde das. Bei unseren Ritten definieren wir deshalb immer einen Reiter, der Entscheidungen trifft. Dabei müssen dann die anderen Reiter vielleicht auch mal den eigenen Ehrgeiz hintenanstellen.

Durch die reiterliche Souveränität und Führungsqualität des Rittführers wird sein Pferd mit ihm zusammen über sich selbst hinauswachsen und so zum Beispiel die ganze Gruppe auch an schwierigen Stellen weiterziehen können. Das Pferd des Rittführers kann daher, muss aber nicht das Leittier der Herde sein.
Unsichere Reiter mitnehmen: Vor allem auch mittelmäßigen Reitern gibt eine klare Rollenverteilung Sicherheit, die sich dann auf die Pferde überträgt. Für die schwächeren Reiter wähle ich immer ein Pferd, das für ihre reiterlichen Fähigkeiten angemessen ist und für sie mitdenkt – idealerweise orientiert es sich stark am Rittführer und seinem Pferd. Ich nehme diese Reiter oft direkt hinter mich, damit das Pferd im Notfall nur mich überholt und ich mich in den Weg stellen kann. Und es gilt: Wir richten uns im gewählten Tempo nach dem schwächsten Reiter der Gruppe! Das muss dann ebenfalls der sichere Rittführer im Griff haben.
Extremsituationen meistern: Wir mussten einmal nachts eine Strecke nehmen, auf der es so dunkel war, dass fast nichts mehr zu sehen war. Ein Reiter hyperventilierte, aber nach einer kurzen Ansage von mir als Rittführerin war alles wieder gut. Hätte sich seine Panik auf andere Reiter oder sein Pferd übertragen, hätte schnell die ganze Gruppe panisch werden können. So aber kamen wir sicher ans Ziel.

Sabine Zuckmantel ist Wanderrittmeisterin (Deutsche Wanderreiterakademie).