Was ist der Grund für die Übermotivation?
Übereifer wirkt sich bei jedem Pferd anders aus, deshalb gibt es auch kein Allheilrezept, um überschüssige Energie in positive Bahnen zu lenken. "Eher ängstliche, instinktiv handelnde Pferde neigen dazu, immer spanniger zu werden. Extrovertierte, selbstbewusste Pferde zappeln nur noch rum", ist die Erfahrung von Sandra Gockenbach. Dann gibt es noch die Kandidaten, die vor lauter Motivation von sich aus Lektionen anbieten, die gerade gar nicht gefragt sind. Tatsächlich versteckt sich dahinter allerdings oft eine Dominanzgeste. Reiter eines übermotivierten Pferds tun also gut daran, es genau zu beobachten. Daneben gibt es natürlich auch Gangarten, die Übereifer fördern. Pferde mit viel Eifer und Energie sind zum Beispiel im Galopp recht explosiv. Der Grund: "Es ist die Fluchtgangart des Pferds und diese Gangart ist grundsätzlich mit dem Sympathikus verknüpft", sagt Katharina Möller. Dieser Teil des vegetativen Nervensystems hilft dem Pferd in der Natur, zu überleben und schnell zu flüchten. Für den Reiter kann das schnell gefährlich werden. Der Parasympathikus dagegen ist aktiv, wenn das Pferd entspannt ist. Damit Ihr Pferd nicht in den Sympathikus wechselt, sollten Sie das Verhalten Ihres Tiers lesen lernen. Haben Sie ein Auge darauf, ob es ansprechbar ist, ob es zuhört oder schon im Fluchtmodus feststeckt. "Psyche und Motorik hängen nämlich sehr eng zusammen, erklärt Petra Schöner, die in der Nähe von Karlsruhe Pferde und Reiter ganzheitlich ausbildet.
Welche Übungen eignen sich, um das Pferd zum Zuhören zu bewegen?
Je nach Pferdetyp gibt es dafür ganz unterschiedliche Strategien. Wir haben sechs Übungen unserer Experten zusammengefasst – es sind praktische und auch ungewöhnliche Übungen für den Alltag, am Boden oder beim Reiten.
Übung 1: Wohlfühlen am Reitplatz
"Probleme mit Übereifer entstehen oft gar nicht, wenn man jungen Pferden genügend Zeit für die Ausbildung lässt", ist die Erfahrung von Katharina Möller. Sie installiert bei jedem Jung- oder auch Korrekturpferd einen Aus-Schalter und macht den Reitplatz zum Wohlfühlort.
"Ich versuche, ihn als einen Ort der Entspannung zu etablieren, und nehme zum Beispiel meine Jungpferde dorthin mit, während ein gelassenes Pferd gerade arbeitet. Ich verlange nichts, führe sie vielleicht ein wenig am langen Strick, lasse sie dort wälzen oder füttere sie aus dem Eimer." So verknüpfen Pferde damit eine positive Erfahrung.
Übung 2: Aus-Knopf installieren
Eine ähnliche Strategie können Sie auch unter dem Sattel anwenden. Lassen Sie Ihr Pferd ruhig stehen, geben Sie die Zügel lang und kraulen Sie es am Widerrist. Dort sitzt ein Wohlfühl-Knopf, den Sie sehr gut nutzen können, um einen Aus-Schalter im Sattel zu installieren.
Kraulen Sie Ihr Pferd am besten immer wieder am Widerrist, wenn es entspannt ist. Hat das Pferd diese Stelle mit positiver Entspannung verknüpft, können Sie es in spannigen Momenten an dieser Stelle kraulen und das Pferd wird leichter wieder runterkommen.
Übung 3: Spiel mit dem Engpass
"Beim Engpass-Spiel lässt man immer wieder die Hinterhand kreuzen, so können Sie das Pferd gut runterholen", erklärt Sandra Gockenbach. Der Engpass kann zwischen Ihnen und dem Zaun liegen.
Schicken Sie Ihr Pferd an einem etwa vier Meter langen Seil zwischen sich und dem Zaun durch. Hat es die Stelle passiert, lassen Sie die Hinterhand weichen, damit das Pferd den Kopf zu Ihnen wendet. Auch eine kleine Hürde zum Durchgehen oder Drübersteigen kann ein Engpass sein.
Übung 4: Der Seitwärtsgang schaltet den Kopf ein
Eine ganz klassische Übung, sowohl am Boden als auch beim Reiten, ist das Seitwärts. Es sorgt dafür, dass das Pferd wieder den rationalen statt den emotionalen Teil seines Hirns benutzt.
Es muss sich beim Beinekreuzen konzentrieren und koordinieren, um die Hufe richtig zu setzen. Dazu schaltet es seinen Parasympathikus ein.
Übung 5: Gleichförmiger Trab mit Bahnfiguren
Trab ist die Gangart, die übereifrigen Pferden sehr gut liegt, denn durch den Zweitakt ist es eine gleichförmige Bewegung. Der Galopp dagegen kann den Fluchtreflex anheizen.
"Verzichten Sie im Trab bei heißen Pferden auf Tempowechsel und wechseln Sie stattdessen zwischen Geraden und Biegungen", empfiehlt Katharina Möller. Reiten Sie viele Bahnfiguren wie Zirkel, Schlangenlinien oder Volten.
Übung 6: Die Fragebox
Damit Pferde keine Hilfen vorwegnehmen, installiert Sandra Gockenbach gerne eine Fragebox bei X auf dem Reitplatz. Dazu platziert sie vier Pylonen, die einen quadratischen Platz markieren. Das Viereck sollte so groß sein, dass das Pferd reinpasst.
"Immer wenn ich mit meinem Pferd diese Box durchreite, passiert irgendwas. Ich wechsle die Gangart, bleibe darin stehen, galoppiere dort an – immer was anderes", erklärt Sandra Gockenbach. Ihr Pferd beginnt abzuwarten und muss sich darauf konzentrieren, was als Nächstes kommt.
Viele Pferde fangen an, richtiggehend nachzufragen, was der Reiter gerne möchte. Das gibt den Pferden eine gute Führung und sorgt dafür, dass sie dem Reiter besser zuhören.