Reithelme im Test: Welcher überzeugt?

Reithelme im Härtetest
Test: Reithelme im Sicherheits-Check

ArtikeldatumVeröffentlicht am 24.07.2025
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Peter Schaudt befestigt einen Seilzug am Hinterteil des Helms
Foto: Rädlein

CAVALLO im Interview

Peter Schaudt im Porträt
Peter Schaudt
Der Experte
CAVALLO: Fast neun Jahre hat es gedauert, bis mit der EN1384:2023 die neue Norm für Reithelme in Kraft getreten ist. Ist das normal?

Peter Schaudt: Das war schon extrem lang, aber nicht ungewöhnlich. Bei der Norm für Motorradhelme waren es auch zehn Jahre. Und auch die künftige Radhelmnorm ist zwar geschrieben, aber noch nicht in Kraft. Ideal ist es nicht, wenn solch ein Prozess so lange dauert, denn in der langen Zeit ändert sich ja auch die Technik und das Material.

Sind die Anforderungen nun höher als früher, die Reithelme also tatsächlich sicherer?

Ja, die Norm hat sich ganz klar verschärft. An die Reithelme werden nun höhere Ansprüche gestellt. Sie müssen definitiv mehr leisten. Bei der Stoßdämpfung kommt ab sofort ein Aufschlag mit einem dachförmigen Sockel mit scharfer Kante dazu. Das gibt es exklusiv nur bei Reithelmen und soll den Sturz auf eine Kante simulieren. Wer das besteht, kann sagen: Der Helm ist sicher.

Das erinnert sehr an unsere verschärften CAVALLO-Tests, die wir schon seit über 20 Jahren durchführen. Wir haben immer gesagt, dass die Norm nicht realistisch genug ist. Schön, wenn das nun anders ist.

Ja, in der Tat. Die neue Reithelmnorm ist definitiv näher an der Realität als die EN1384:2012. Vor allem die neue Aufschlagprüfung Hazard Impact mit der scharfen Kante als neue Ambossform war meiner Meinung nach entscheidend für mehr Realität, denn dieser Amboss kann tiefer eindringen als das flache Modell. Und durch die drei Aufschlagpunkte muss der Helm leistungsfähiger sein, auch wenn kein Reiter dreimal hintereinander stürzen wird.

Mit welcher Änderung gehen Sie nicht konform? Gibt es da einen Punkt?

Bei der Prüfung der Gestaltfestigkeit, bei der geschaut wird, ob die Helme unter seitlichem Druck ihre Form behalten, ist nun eine genaue Zeit vorgegeben, in der seitlich Druck auf den Helm ausgeübt wird. Meiner Meinung nach sind es in der Realität aber eher Impulse, die ein Reithelm aushalten muss.

Uvex Reithelm, der bei der Prüfung zwischen zwei Stahlplatten geklemmt wird
Rädlein
Wie mussten die Hersteller ihre Reithelme denn baulich verändern, um die neue Norm zu bestehen?

Sie mussten vor allem die Außenschale verstärken, damit die Helme die neuen Tests – etwa die höhere Fallhöhe bei der Durchdringung – bestehen. Und allgemein wirken in den neuen Prüfungen höhere Kräfte, weshalb die Helme steifer, aber auch stabiler sind. Was zur Folge hat, dass sie schwerer sind, ausladender, weil mehr Material verwendet wird.

Wir haben rund 15 Hersteller angeschrieben; nur vier haben sich entschieden, ihre Modelle in diesem CAVALLO-Test vom TÜV Rheinland prüfen zu lassen. Wie gut haben diese Reithelme abgeschnitten?

Sie haben alle super Werte, weit weg vom Grenzwert. Man muss sich im Klaren sein, dass es sich bei den Prüfungen um Laborwerte handelt. Kein Reiter macht mit 18 km/h einen Köpfer auf die Straße, der Helm im Labor dagegen schon.

Eine Metall-Kugel fällt auf einen spitzen Kegel, unter dem der Reithelm liegt
Rädlein
Nun gehen die Reithelme im Labor ja kaputt, was gut zu erkennen ist. Wie ist das in der Realität? Sehen die Helme nach einem Sturz auch so zerstört aus?

Ich persönlich mag Helme, die kaputtgehen. So kommt der Besitzer nicht auf die Idee, ihn noch einmal zu benutzen. Dass die Außenschale reißt, ist gut. Denn das kostet Kraft und die kann dadurch schon mal nicht auf dem Kopf ankommen. Fakt ist aber, dass die Reithelme im Labor wesentlich mehr aushalten müssen als in der Realität. Reiter und Reiterinnen sind somit auf der sicheren Seite, wenn ihr Helm die neue Reithelmnorm bestanden hat.

Was ändert sich mit der neuen Reithelm-Norm?

Alte Norm

  • Stoßdämpfung: Zwei Aufschlagpunkte am Helm auf einen flachen Sockel
  • Durchdringung: Fallhöhe von 500 Millimetern
  • Gestaltfestigkeit: Einwirkende Kraft von 630 Newton
  • Abstreiftest: Fallhöhe von 175 Millimetern. Test in beide Richtungen – von hinten nach vorne und von vorne nach hinten.
Peter Schaudt befestigt einen Seilzug am Hinterteil des Helms
Rädlein

Neue Norm

  • Stoßdämpfung: Drei Aufschlagpunkte: zwei auf flachen, einer auf kerbförmigen Sockel
  • Durchdringung: Fallhöhe von 625 Millimetern
  • Gestaltfestigkeit: Einwirkende Kraft von 800 Newton
  • Abstreiftest: Fallhöhe von 240 Millimetern und nur noch in eine Richtung (von hinten nach vorne).
Zwei Sockel für die Stoßdämpfungsprüfung von Helmen
Rädlein

Was bedeutet die neue Norm? – CAVALLO im Interview

Miriam Gleixner im Porträt
Miriam Gleixner
Die Expertin
CAVALLO: Die Anforderungen an die Helme sind mit der neuen Norm deutlich gestiegen. Welchen Mehraufwand bedeutet das?

Miriam Gleixner: Gerade bei Inmoldhelmen war die gestiegene Durchdringungsfestigkeit eine große Herausforderung. Den Inmoldhelm exxential schäumen wir jetzt in zwei Densitäten. Damit konnten wir die neuen Anforderungen erfüllen.

Gab es Materialien oder Technologien, die Sie austauschen oder neu einsetzen mussten?

Ja, vor allem beim Hartschalenhelm exxeed. Hier arbeiten wir jetzt mit einer dreiteiligen EPS-Kalotte, die wir in verschiedenen Densitäten fertigen. Das hat sich, wie der Test zeigt, hervorragend bewährt.

Bei welchen Punkten hätten Sie sich als Hersteller eine andere Lösung gewünscht?

Die erhöhte Durchdringungsfestigkeit macht es schwer, die Helme weiterhin gut zu belüften. Das ist wirklich schade, denn Tragekomfort ist ein wichtiger Faktor, gerade an warmen Tagen.

Sehen Sie die neue Norm trotzdem als sinnvolle Weiterentwicklung?

Auf jeden Fall. Sicherheit hat oberste Priorität. Auch die besten Reiter können stürzen – dann ist ein zuverlässiger Helm entscheidend. Und vielleicht führt die neue Norm auch dazu, dass sich Reiterinnen und Reiter häufiger bewusst fragen, wie alt ihr Helm eigentlich ist – und ob ein Austausch nicht längst überfällig wäre.

Ein Reithelm auf dem Prüfkopf verschnürt
Rädlein

Was muss man beim Kauf eines Reithelms beachten?

In erster Linie muss der Helm den Kopf schützen und eine gute Stoßdämpfung bieten. Entscheidend dafür ist die Styropor-Innenschicht (EPS). Je dicker sie ist, desto mehr Energie kann sie aufnehmen und so besser schützen. Was den Helm-Aufbau angeht, gibt es Unterschiede: Bei InMould-Helmen wird die Styropor-Innenschicht (EPS) in die Außenschale gespritzt. Bei Hardshell-Helmen werden beide Schichten getrennt aufgebaut und dann miteinander verbunden, etwa durch Kaltverschweißung. Wie gut ein Helm schützt, lässt sich nicht an dessen Bauweise festmachen.

Auch die Passform ist entscheidend: Ein Helm muss fest auf dem Kopf sitzen und darf nicht rutschen. Probiere den Helm an, um zu testen, ob er zu deiner Kopfform passt. Reithelme sind heute gut anpassbar mit verschiedenen Riemen. Diese sollten sich leicht verstellen lassen, dürfen sich aber nicht von selbst lockern. Sind die Riemen zu leichgängig, kann es sogar reichen, wenn der Reiter den Kiefer bewegt, damit der Riemen sich lockert. Das darf nicht passieren.

Achte auch auf das Helmklima. Belüftungsschlitze und Materialien im Innenfutter, die Schweiß gut aufsaugen, sorgen für einen kühlen und trockenen Kopf.

Wieviel kostet ein guter Reithelm?

Reithelme gibt es in unterschiedlichen Preisklassen und schon ab etwa 60 Euro. Allerdings sollte man gerade in puncto Sicherheit nicht sparen. Qualität hat leider oft auch ihren Preis, kann in dem Fall aber tatsächlich über Leben und Tod entscheiden. Die meisten hochwertigen Reithelme bewegen sich im Preissegment von etwa 120 bis 550 Euro. Mit speziellen Konfigurationen und mehr Glitzer kann man aber auch schnell um die 1000 Euro für einen Reithelm ausgeben.

Wie lange kann man einen Reithelm benutzen?

Selbst ohne Sturz und sichtbare Mängel ist nach etwa vier Jahren ein neuer Helm angesagt. Denn: "Eine Alterung des Materials wird es definitiv geben", sagt Thomas Dautermann, Leiter des Qualitätsmanagements beim Helm-Experten uvex aus Fürth in Bayern. "Zudem ist für die Sicherheit eines Helms nicht nur die Nutzungsdauer wichtig, sondern auch wie oft man damit reitet." Wer einmal in der Woche auf dem Pferd sitzt, wird seinen Reithelm länger tragen können als ein Reiter, der jeden Tag – womöglich sogar mehrmals – mit Helm reitet und ihn dadurch stärker beansprucht. Zeit für einen neuen Helm ist es stets, sobald innen oder außen Risse erkennbar werden oder aus der Innenschale ein Stück herausgebrochen ist. Lockert sich ständig der Kinnriemen, ist das ebenfalls ein Zeichen, den Helm besser nicht mehr aufzusetzen. Ein loser Riemen hält bei einem Sturz den Helm nicht auf dem Kopf. Genauso wenig sorgt ein defektes Schloss für einen sicheren Sitz.

uvex Reithelm im Prüfstand für die Kinnriemen-Festigkeit
Rädlein

Wie lange ist ein Reithelm nach einem Sturz noch sicher?

Nach einem Sturz oder auch dann, wenn der Helm nur auf die Stallgasse geknallt ist, sollte man ihn austauschen. Beschädigungen am Helm sind von außen nämlich nicht unbedingt sichtbar. Einige unserer Testmodelle sahen nach der Stoßdämpfungsprüfung noch top aus, der Amboss hatte ihnen nur wenige oberflächliche Kratzer verpasst. Vermeintlich zumindest: Denn unter den Kopfpolstern offenbarten sich feine Risse in der EPS-Schale. Würde ein Reiter mit einem so vorgeschädigten Helm erneut vom Pferd fallen, würde das Material die Energie nicht mehr gut abpuffern; das Risiko für Kopfverletzungen steigt.

Wie pflegt man einen Reithelm richtig?

Auch die Lagerung spielt eine Rolle: Werden Helme bei Temperaturen über 50, aber auch bei unter minus 50 Grad Celsius gelagert, leidet das EPS", sagt Thomas Dautermann. Das sind zwar Extrem-Temperaturen, aber wer sein Auto im Sommer in der Sonne stehenlässt, erreicht schnell über 80 Grad Celsius im Innenraum. Äußerlich wird man keinen Defekt erkennen, dennoch tun diese Temperaturen Helmen nicht gut. Das alles sind gute Gründe, weshalb man von gebrauchten Helmen die Finger lassen sollte.

Welche Reithelme haben MIPS?

Wer einen Reithelm trägt, senkt im Falle eines Sturzes das Verletzungsrisiko bereits um 40 bis 50 Prozent. Einige Reithelme versprechen noch mehr Schutz: Sie setzen auf die MIPS-Technik.

Diese vier Buchstaben stehen für "Multi-Directional Impact Protection System". Dahinter verbirgt sich ein zusätzlicher Aufprallschutz fürs Gehirn. Das ist bei Stürzen besonders gefährdet. Gerät es in Rotation, also in eine Drehung, kann es an die Schädeldecke stoßen, Hirnzellen können zerstört werden, kleine Blutgefäße abreißen, erklärt Schaudt.

MIPS soll das abpuffern: An der Helmschale, unter dem Kopfpolster, ist eine dünne, gelbe Kunststoffschale befestigt. Bei einem Sturz soll sie die Rotationsenergie aufnehmen, um den Kopf herumgleiten und das Gehirn schützen. "Vor allem im Fahrrad- und Motorradbereich ist die Technik schon verbreitet."

Testsieger und sehr gutes Modell mit MIPS hier kaufen:

Wie viel wiegen gute Reithelme?

Die meisten Helme wiegen um die 520 bis 660 Gramm. Aus den Testergebnissen lässt sich kein Zusammenhang zwischen Gewicht und Schutzwirkung eines Reithelms ableiten. Nur soviel: Ein besonders guter Reithelm kann gleichzeitig besonders leicht sein, was für hohen Tragekomfort spricht. Ein etwas schwererer Helm spricht für mehr Materialverarbeitung und somit eventuell auch mehr Dichtigkeit.

Wo kann man Reithelme kaufen?

Reithelme findet man mittlerweile nicht nur im Fachhandel vor Ort, sondern auch im Online-Fachhandel oder z.B. bei Amazon. Generell sollte ein Reithelm immer unbedingt anprobiert werden, um eine Entscheidung zu treffen. Im Fachgeschäft kann das Personal dabei zu Passform und zur richtigen Einstellung beraten.