Das Thema Nachhaltigkeit spielt für viele Reiterinnen und Reiter eine immer wichtigere Rolle. Wie schaffen wir es, den ökologischen "Hufabdruck" unserer Pferde und unseres Hobbys möglichst klein zu halten? Seit September 2022 beschäftigt sich mit dieser Frage an der niederländischen Universität Van Hall Larenstein sogar ein eigener Lehrstuhl. Dr. Inga Wolframm ist dort die erste Professorin für Nachhaltigkeit im Pferdesport. Für die sportpsychologische Expertin bedeutet Nachhaltigkeit im Pferdesport, "unsere Bedürfnisse nicht über die der nachfolgenden Generationen zu setzen". Wolframm erklärt im Interview mit CAVALLO: "Die jetzige Generation soll den Sport auf eine Art und Weise genießen, die es der nächsten Generation ermöglichen wird, das auch zu tun!"
Nachhaltige Beweidung durch Pferde kann die Artenvielfalt fördern
Potential für mehr Nachhaltigkeit beispielsweise in Pferdepensionsbetrieben gibt es reichlich: Weil Pferde am besten auf artenreichen und nicht zu fetten Wiesen grasen, kann Pferdehaltung die Biodiversität fördern und eine Pferdekoppel nicht nur Pferden, sondern auch Insekten Nahrung bieten. Wie wertvoll Pferdeweiden für die Artenvielfalt sein können, zeigte eine 2020 erschienene Studie an der Universität Göttingen. Anja Schmitz und Johannes Isselstein verglichen Koppeln, die von Pferden beweidet wurden mit solchen, auf denen Rinder grasten. Sie unterschieden zwischen kontinuierlich genutzten Weiden und Umtriebsweiden. Das Ergebnis: Dauerhaft genutzte Pferdeweiden haben einen deutlich höheren Artenreichtum als Rinderweiden. Wurden die Pferdeweiden dagegen rotierend genutzt, gab es keinen signifikanten Unterschied. Die Art der Weidenutzung ist also entscheidend dafür, wie viel Pferdehaltung zur Artenvielfalt beitragen kann. Nehmen Pferdehalter einen etwas geringeren Ertrag auf einer Dauerweide in Kauf, tragen sie damit zum Erhalt artenreicher Wiesen bei.
Pferdeställe können Lebensraum für viele Tiere sein
Neben der verantwortungsvollen Grasbewirtschaftung spielt auch der Wasserverbrauch eine wichtige Rolle. Indem Stallgemeinschaften beispielsweise Regenwasser sammeln oder natürliche Wasserquellen nutzen, können sie Leitungswasser einsparen. Solche Ansätze in der Gemeinschaft vorzuschlagen, kann Anlass zur Veränderung und zu mehr Nachhaltigkeit im Stall geben. Dabei müssen es nicht immer gleich große Projekte sein: Auch einfach umsetzbare Ideen wie eine Diversitätsecke mit insektenfreundlichen Pflanzen, Nist- oder Fledermauskästen oder eine gemeinsam angelegte Trockenmauer sind ein sehr guter Anfang.
Nachhaltige Reitbekleidung kaufen: Siegel und Recycling-Materialien
Ein weiteres Feld für mehr Nachhaltigkeit im Reitsport: Die Ausrüstung. Von Reitkleidung bis Pferdepflege können Reiterinnen und Reiter hier mit ihrer Kaufentscheidung einen Beitrag leisten. Bei Reitbekleidung sorgen meist Kunstfasern für spezielle Funktionen; etwa Elasthan für Dehnbarkeit oder Polyester für schnelles Trocknen. Recyceltes Polyester kann hier eine Alternative sein. Bei natürlichen Materialien wie Baumwolle oder Viskose können Sie auf Bio-Qualität oder nachhaltige Beschaffung achten. Viele Hersteller bieten entsprechend gekennzeichnete Kollektionen an. Auch Siegel wie Bluesign oder der Global Organic Textile Standard (GOTS) geben Orientierung. Manche Siegel legen mehr Wert auf Sozialstandards in den Fabriken, andere mehr auf Umweltschutz. Einen guten Überblick über die Siegel und ihre Kriterien gibt es bei Greenpeace (www.greenpeace.de).
Pflegeprodukte und Pferdefutter: Nachhaltige Inhaltsstoffe und Verpackungen
Wer bei Fellglanz, Insektenabwehr & Co. auf natürliche Inhaltsstoffe und nachhaltige Verpackung achtet, leistet einen Beitrag zum Umweltschutz. Einige Unternehmen wie beispielsweise Zedan verzichten auf Inhaltsstoffe wie Silikone, Paraffine, Phthalate, Mikroplastik, Mineralöle, Parabene sowie synthetische Duft- und Farbstoffe. Auch bei der Verpackung von Pflegemitteln und Futter gibt es Unterschiede: Während viele Firmen noch auf herkömmliche Plastikverpackungen setzen, haben andere wie Leovet auch Recycling-Verpackungen im Angebot oder verzichten bewusst auf unnötiges Plastik – Josera beispielsweise ersetzt die Plastikschicht im Futtersack durch beidseitig mit natürlichem Wachs versiegeltes Papier.
Mehr Nachhaltigkeit im Reiter-Alltag
Neben Kaufentscheidungen bietet auch der Stall-Alltag immer wieder Potential für mehr Nachhaltigkeit. Eine Fahrgemeinschaft in den Stall spart viele Kilometer und damit einiges an CO2. Müll trennen geht auch im Stall und kaputte Ausrüstungsgegenstände können oft Änderungsschneidereien und Sattlereien reparieren. Und: Wer Bekleidung nach dem Reiten kürzer und kälter wäscht, spart nicht nur Energie und Wasser, sondern verringert auch die Freisetzung von Mikroplastik-Partikeln.